Meir Shalev (1948–2023): Der wahre Erfinder des Kebab
Der israelische Schriftsteller war ein scharfer politischer Kommentator – und schrieb hervorragende Kinderbücher.
Mit neunzehn Jahren war er als Soldat während des Sechstagekriegs im Einsatz auf den Golanhöhen, nach dem Sieg verkrachte er sich darob gleich mit dem Vater: «An diesem Bissen werden wir ersticken.» Vierzig Jahre später schrieb Meir Shalev in der NZZ, Israel sei tatsächlich erstickt an «der Unaufrichtigkeit und Ungerechtigkeit im Umgang mit den besetzten Gebieten». Da war der im Jahr der Staatsgründung geborene Schriftsteller bereits international bekannt.
Literarisch zu schreiben begonnen hatte der frühere TV- und Radiomoderator erst mit vierzig. Anders als seine wöchentlichen Kolumnen in der Tageszeitung «Yediot Aharonot», in denen er bis vor kurzem mit beissendem Spott die Landespolitik kommentierte, spielten die meisten seiner Romane in den Jahren vor oder kurz nach der Unabhängigkeitserklärung Israels.
Auf Deutsch erschienen sie alle im Zürcher Diogenes-Verlag, darunter auch vier seiner Kinderbücher, die leider alle vergriffen sind. Dabei erkor Shalev in einem Interview mit dem «Kurier» ausgerechnet ein Kinderbuch zu seinem allerbesten Werk. In «Wie der Neandertaler den Kebab erfand» (1997) erzählt Opa Issy seinem Enkel Michael die Geschichte eines namenlosen Neandertalers, der genug von Wurzelbrei und Hagebuttenkompott hat und von einem Kebab träumt, den er fortan sucht. Er dreht jeden Stein um, bohrt Löcher in die Erde, durchkämmt Flüsse – stösst aber nur auf «lauter unnützes Zeug»: Diamanten, Erdöl, Gold, wie die liebevoll-ironischen Zeichnungen von Jossi Abulafja zeigen. Auch seine Erfindungen qualifiziert er ähnlich ab, achtlos weggeworfen liegen Flugzeug und Pingpongschläger herum, an der Höhlenwand sind neben Jagdszenen der Satz des Pythagoras und «E=mc2» hingekritzelt. Zum Erzählen ist das grossartig, und natürlich gibt es dank einer Verkettung unglaublicher Zufälle ein Happy End (sprich: Kebab), wobei auch das letzte Bild vom grillierenden Grossonkel im Garten viel Diskussionsstoff bietet. Schaut dieser doch aus wie der Neandertaler, einfach mit Bierdose in der Hand und Knarre in der Badehose.
Auch die anderen Kinderbücher des Tandems Shalev/Abulafja sind voll solch grotesker Details und skurriler Figuren, die einem ans Herz wachsen – nicht zuletzt, weil sie Emanzipatorisches so subversiv wie selbstverständlich mittransportieren. Sie haben bis heute nichts an Aktualität verloren, und es bleibt zu hoffen, dass Diogenes den letzte Woche verstorbenen Autor mit einer Neuauflage seiner Kinderbücher noch lange in Erinnerung bleiben lässt.