Armenjagd: Erfolgreiche Entschärfung

Nr. 24 –

Der Entscheid fiel knapp aus: Mit 23 zu 20 Stimmen nimmt nach dem National- auch der Ständerat die parlamentarische Initiative «Armut ist kein Verbrechen» an. Sie fordert, dass niemand mehr wegen des Bezugs von Sozialhilfe ausgewiesen werden kann, der oder die seit mehr als zehn Jahren in der Schweiz lebt. Juristisch klingt das wie ein kleiner Fortschritt, doch praktisch ist er bedeutsam: Für Personen, die schon länger hier leben und in die Armutsspirale geraten, bringt er wirksamen Schutz vor der Ausschaffung. Er kann sich auf alle Menschen ohne Schweizer Pass auswirken, schwebt doch der Entzug der Aufenthalts- oder Niederlassungsbewilligung wie ein Damoklesschwert über ihnen. Mit dem Effekt, dass sich immer weniger trauen, Sozialhilfe zu beziehen, obwohl sie ihnen zusteht.

Dass der Erfolg möglich wurde, ist einer breiten Allianz von Hilfswerken, Kirchen, Parteien, Gewerkschaften und Migrant:innenvereinen zu verdanken. Im Parlament hat die Baselbieter SP-Nationalrätin Samira Marti ausdauernd für das Anliegen gekämpft. «Ich habe immer daran geglaubt, dass ein Erfolg möglich wird. Wobei auch ein bisschen Arbeit nötig war», sagte sie nach der Abstimmung. «Am schwierigsten war es, zwischen der rechtsbürgerlichen Polemik zum Missbrauch der Sozialhilfe und den realen Schicksalen zu differenzieren.»

Doch langsam, aber stetig zeigte die Überzeugungsarbeit der Allianz Wirkung. Am Schluss stimmten im Ständerat fast die ganze Mitte-Fraktion und einige fortschrittliche FDPler:innen für die Entschärfung des Gesetzes. Ein persönlicher Erfolg auch für Marti: Die Politikerin, die als künftige SP-Fraktionspräsidentin gehandelt wird, zeigte ihr überparteiliches Verhandlungsgeschick.

Bis zur Gesetzesänderung wird es noch dauern. Erst braucht es nun eine Vorlage des Bundesrats. Für Marti ist klar, dass die Auseinandersetzung weitergehen muss. Sie plädiert generell für eine Abschaffung der Verknüpfung von Sozialhilfe- und Migrationsrecht. Und verweist auf die «Demokratie-Initiative» der Aktion Vierviertel, bei der es nicht bloss um politische Mitbestimmung gehe: «Den wirksamsten Schutz der sozialen Rechte bringt eine vereinfachte Einbürgerung.»