Was weiter geschah: Neues Urteil gegen Schmidheiny

Nr. 24 –

Zwölf Jahre Haft wegen fahrlässiger Tötung von 147 Menschen, die im piemontesischen Casale Monferrato an den Folgen von Asbest gestorben sind: Das ist das Verdikt, mit dem ein Gericht in Novara vergangene Woche den 75-jährigen Schweizer Stephan Schmidheiny erstinstanzlich verurteilt hat. Als weitere Strafe sieht das Gericht ein fünfjähriges Verbot öffentlicher Ämter und eine vorläufige Schadenersatzsumme von achtzig Millionen Euro vor. Es gilt die Unschuldsvermutung – Schmidheinys Verteidiger:innen haben wieder einmal Berufung angekündigt.

Über zwanzig Jahre schon dauern die Eternit-Prozesse gegen den einstigen CEO der Gruppe Eternit SEG, die von 1973 bis zur Pleite 1986 Grossaktionärin der Eternit Italia S.p.A. war. Erstmals angeklagt wurde Schmidheiny 2009, weil er aufgrund mangelnder Sicherheitsvorkehrungen in mehreren italienischen Eternit-Fabriken den Tod von über 2000 Menschen verursacht haben soll. Zu einem ersten Schuldspruch kam es 2012, als Schmidheiny zu sechzehn Jahren Haft und Schadenersatzzahlungen von achtzig Millionen Euro verurteilt wurde. 2013 erhöhte das Berufungsgericht in Turin das Strafmass gar auf achtzehn Jahre und neunzig Millionen Euro. 2014 allerdings erklärte das Kassationsgericht in Rom die Vorwürfe für verjährt.

Seither wurden mehrere Prozesse auf lokaler Ebene angestrengt: 2019 etwa verurteilte ein Turiner Gericht Schmidheiny wegen zweifacher fahrlässiger Tötung zu vier Jahren Haft. Dagegen ging die Verteidigung unter anderem mit dem Argument in Berufung, dass Schmidheiny Jahre zuvor vom obersten italienischen Gericht wegen Verjährung freigesprochen worden war. Ein erneuter Prozess verletze somit das verfassungsrechtliche Verbot der Mehrfachbestrafung.

2012 aber wurde Schmidheiny wegen «vorsätzlichen Verursachens einer Umweltkatastrophe mit Todesfolgen» verurteilt – die aktuellen Klagen dagegen zielen auf «fahrlässige Tötung». So auch im Fall von Casale Monferrato. Dass der Kontakt mit Asbest zu tödlichen Krankheiten wie Lungenkrebs führen kann, ist bereits seit den dreissiger Jahren bekannt und seit den sechziger Jahren wissenschaftlich bewiesen.

Nachtrag zu «Internationales Asbestverbot: Noch ein langer Kampf» in WOZ Nr. 40/22 sowie zum grossen Schmidheiny-Prozess in Italien in WOZ Nr. 46/14 und WOZ Nr. 48/14.