Auf allen Kanälen: Aufstand der Basis

Nr. 26 –

Seit Wochen versuchen die Moderatoren und Nutzerinnen von Reddit, ein Mitspracherecht bei der Weiterentwicklung der Plattform zu erzwingen.

Ausschnitt aus einem stilisierten Reddit-Logo

Stürmische Zeiten für die Bosse der Digitalökonomie: Entweder liegen sie miteinander im Clinch wie Twitter-Chef Elon Musk und Facebook-Gründer Mark Zuckerberg, die sich jüngst zu einem Zweikampf im Kampfsportkäfig verabreden wollten. Oder die Community geht auf die Barrikaden, womit sich wiederum Reddit-CEO Steve Huffman herumschlagen muss. Dieser hat mit seinen Plänen für die Plattform derart viel Ärger provoziert, dass er derzeit als meistgehasster Vertreter der US-Techszene gelten darf.

Huffman ist wie viele Mächtige der Branche ein Mann mit eher speziellen Ideen. Vor einigen Jahren berichtete das Magazin «New Yorker», dass der Unternehmer seine Augen einer Laseroperation unterzogen hatte, nicht aus Eitelkeit, sondern weil ihm Kurzsichtigkeit als nachteilig im Überlebenskampf nach einem möglichen Zivilisationszusammenbruch erschien. Huffman hatte Reddit 2005 selbst mitgegründet, dann aber für ein paar Millionen US-Dollar verkauft. Heute leitet er die Plattform wieder.

Diese zählt zu den weltweit beliebtesten Internetsites mit über fünfzig Millionen täglich aktiven Nutzer:innen. Im Wesentlichen ist Reddit ein Forum, wie man es seit den Anfängen des Internets kennt – bloss eben ein sehr grosses. Die Site ist unterteilt in Unterforen, sogenannte «Subreddits», von denen es so viele gibt, dass auch Leute mit aparten Interessen Gleichgesinnte finden. So ist Reddit bei technischen Fragen sehr hilfreich, aber auch Musik- oder Videospielfans finden dort Subreddits mit teils Millionen Mitgliedern. Moderiert werden diese Subreddits von ehrenamtlich tätigen Nutzer:innen.

Hohe Gebühren für Drittanbieter

Nun aber führen just diese Moderator:innen einen Aufstand gegen die Chefetage an. Anfang Juni hatte Huffman nicht nur einen Stellenabbau angekündigt, sondern auch eine zunächst sehr technisch wirkende Neuerung: Künftig sollen für die Nutzung der Reddit-Schnittstelle hohe Gebühren anfallen. Dies bringt Entwickler:innen in die Bredouille, die eigene Apps bereitstellen, mit denen sich auf die Plattform zugreifen lässt. Einige kündigten an, ihre Apps wegen der nun anstehenden Gebühren einstellen zu müssen. Gerade aber diese Tools sind bei den Moderator:innen viel beliebter als die offizielle Reddit-App, die als wenig komfortabel gilt.

Also verabredeten sich Tausende Subreddits Mitte Juni, für 48 Stunden offline zu gehen, um so das Unternehmen dazu zu bewegen, von den Plänen wieder abzurücken. Dieses knickte aber nicht ein, vielmehr legte Huffman nach: In Interviews ätzte er, die Moderator:innen seien eine Art digitaler «Landadel», der seine Privilegien ausspiele, während die Masse der Nutzer:innen den Protest ablehne. Daraufhin reagierten zahlreiche Foren mit Aktionen, an denen sich auch die User:innen selbst rege beteiligten: Beispielsweise wurden Subreddits massenhaft mit denselben Fotos geflutet. Zudem veröffentlichten die Moderator:innen einiger der grössten Subreddits Anfang dieser Woche offene Briefe, in denen sie ihre Positionen nochmals unterstrichen.

Vorbild Musk?

Interessant ist die Kraftprobe unter zwei Gesichtspunkten. So deutete der US-Sender NBC die Turbulenzen bei Reddit als Beleg dafür, dass die Methoden Musks immer mehr Nachahmer:innen fänden: Dieser hatte bei Twitter trotz Sicherheitsbedenken ein Sparprogramm durchgepeitscht, weit mehr als die Hälfte der Mitarbeiter:innen mussten gehen. Zudem hatte auch Musk erst vor kurzem angekündigt, künftig hohe Gebühren für die Nutzung der Twitter-Schnittstelle zu verlangen. Der Reddit-Aufstand wäre also weniger ein Spezialfall denn Ausdruck davon, dass ein rabiaterer Managementstil in der Techbranche Einzug hält.

Zum anderen rührt der Konflikt zwischen dem Reddit-CEO und der Community am Grundwiderspruch der Plattformökonomie. Das brachte Huffman selbst unfreiwillig in einem Interview zum Ausdruck, als er meinte, sein Gebührenplan richte sich gegen «Geschäftsmodelle, die unsere Daten gratis abgreifen». Das Geschäftsmodell von Reddit selbst aber basiert darauf, sich Inhalte gratis anzueignen: Ohne die Flut an Texten, Bildern und Videos, die die Nutzer:innen tagtäglich posten, wäre Reddit wertlos. Sollte es den User:innen gelingen, ein Mitspracherecht bei der Weiterentwicklung der Plattform zu erzwingen, wäre das eine gute Nachricht für die digitale Öffentlichkeit.