Von oben herab: Bang, boom, bang

Nr. 31 –

Stefan Gärtner zündet ein kritisches Feuerwerk

Ich hatte es nie mit Asterix, aber jetzt hat der Grosse sein Taschengeld gegen einen Stapel alter Alben eingetauscht, und ich muss sagen, «Asterix bei den Schweizern» hat mir gut gefallen, schon weil da keine dicklippigen Schwarzen für den arglosen Rassismus der Zeit einstehen. «Und dann ihr Sauberkeitsfimmel!», schreit der römische Statthalter Feistus Raclettus und meint die Helvetier (und wirklich die männlichen). «Eine Orgie hat schmutzig zu sein! Hört auf zu schrubben, beim Jupiter!» Und das darf man sich jetzt aussuchen, ob es 1970, als der Band erschien, fortschrittlich war, dass die Männer schrubbten, oder rückschrittlich, dass nicht mal beim Putzen Frauen eine Rolle spielen.

Jedenfalls bedeutet der Schweizer Sauberkeitsfimmel nicht, dass man lokal keinen Schmutz macht; man kehrt ihn bloss gleich wieder weg, und der «Eidgenössischen Volksinitiative ‹Für eine Einschränkung von Feuerwerk›» geht es also nicht um die mit Flaschenresten und Hundekot vermischten Böllerreste, durch die Deutsche an Neujahr traditionell latschen, sondern um «die Belästigung durch lautes, oft unkontrolliert gezündetes Feuerwerk», die je nach Wohnort «auf bis zu 30 Abende pro Jahr angewachsen» sei. Am Nationalfeiertag wird freilich erst recht gern geballert, doch die «Feuerwerksknallerei gehört nicht zum Grundrecht der persönlichen Freiheit und geniesst keinerlei rechtlichen Schutz» (ebd.), muss aber nicht einmal regelmässig von den örtlichen Behörden genehmigt werden. In Zug etwa, wo das geplante 1.-August-Grossfeuerwerk eines dänischen Bitcoin-Millionärs «für hitzige Debatten auf Social Media» (pilatustoday.ch) gesorgt hatte, teilte die Stadt schliesslich mit, sie habe von den Plänen «nichts gewusst». Bewilligt hatte die bunte Explosion von 35 Tonnen (!) Sprengstoff die kantonale Gebäudeversicherung. «Denn bei Grossfeuerwerken […] bestimmt sie und nicht die Stadt» (ebd.), dieselbe, die nachhaltig sein will und deshalb ihr Feuerwerk abgesagt hat.

Das wird die Initiative freuen, denn «die Freude weniger Menschen darf nicht die Lebensqualität aller anderen beeinträchtigen», und da ist natürlich die Frage, wie man «wenige Menschen» definiert. Im westdeutschen W., da wohne ich, sind es immerhin genug, dass man von meinem Balkon einen spektakulären Silvesterblick ins illuminierte Tal hat, und vielleicht setzt das «Kleinkinder, hochsensible Menschen oder solche mit Angststörungen und Traumata unter massiven Stress» (feuerwerksinitiative.ch), aber wollte man die Welt etwa um die Angststörungen eines so hochsensiblen Menschen herumbauen, wie ich einer bin, bliebe von ihr nicht mehr viel übrig. Wer klaustrophob ist, meide Fahrstühle und gehe in Therapie, und man kann freilich auch Fahrstühle verbieten, aber soll man?

Mir selbst ist Feuerwerk ganz schnurz, aber wenn es jemand zündet, sehe ich hin. In vielen Metropolen der Welt ist die private Böllerei verboten und wird an Festtagen zentralisiert; dass ich mit derlei sehr gut leben könnte, wird den Verdacht ausräumen, ich sei ein Libertärer. Ein Freund von mir ist einer, und zwar von links, das gibt es auch. Er will, dass der Staat die Leute in Frieden lässt: Wenn sie rauchen wollen, sollen sie rauchen, wenn sie dick sein wollen, ihre Sache. Statt zu verbieten, soll die Gesellschaft ihre Mitglieder so mündig machen, dass sie von selbst wissen, was gut für sie und andere ist: Anarchismus will ja nicht Chaos, sondern Ordnung ohne Zwang. Kapitalismus dagegen sublimiert den Zwang, aus dem er besteht, und je weniger Rücksicht er übt, desto mehr gibt es privat zu beachten, vom Fahrradhelm bis zur Frage, ob «Mutter» diskriminierend sei. Dass Selbstermächtigung für gar nicht wenige Menschen bedeutet, sich den Himmel bunt zu machen, kann man gern verteufeln; das darf aber nicht die Frage übergehen, warum er so grau ist.

Stefan Gärtner (BRD) war Redaktor bei der «Titanic» und ist heute Schriftsteller und «linksradikaler Satiriker» («Die Zeit»). An dieser Stelle nimmt er jede zweite Woche das Geschehen in der Schweiz unter die Lupe.

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