Wichtig zu wissen: Saudin’ Alive

Nr. 34 –

Ruedi Widmer über Fussball und Politik (klingt langweilig, ist aber so)

Otto Waalkes’ Filme werden im Westdeutschen Rundfunk mit einem Hinweis eingeleitet, dass der Humor nicht mehr zeitgemäss sei und verletzen könne.

Während die Frauenfussball-WM den Charme von Männer-WMs der Siebziger verströmte, baut Saudi-Arabien eine gigantische Fussballindustrie auf und kauft für Milliarden Fussballer aus Europa zusammen. Das ist zu begrüssen, denn eigentlich hat jedes Land heutzutage Fussballklubs. Man gehört irgendwie nicht richtig dazu, wenn man keine hat.

Wichtig für einen zukunftsträchtigen Hightechstaat wie Saudi-Arabien ist aber auch, eine hochkarätige Cartoon- und Witzindustrie aufzubauen. Ich sage aus Erfahrung, auch bei Witzezeichner:innen, die ja ebenso Menschen sind wie Fussballer:innen, motiviert ein Millionensalär zu Höchstleistungen, die man in der zweiten Witzliga einfach nicht bekommt. Bereits für zehn Millionen US-Dollar Monatsgehalt machen Europas Topsatiriker:innen die besten Knochensägescherze mit Herrn bin Salman, aber auch sonstige scherzeshalbere Anzüglichkeiten sowie Scheherazaden aller Art.

Ich möchte gar nicht länger eingehen auf die Discohits, die DJ Tommy aus Sissach (SVP) in seiner langen Karriere geschrieben hat («By the Rivers of SVP» von Boney M, «Hot SVP» und «I Feel SVP» von Donna Summer, «Born to Be SVP» von David Hernandez, «Last Night the SVP Saved My Life» von Indeep, «Ring My Trychle» von Anita Ward, «It’s Raining SVP» von The Weather Girls, «SVP Inferno» von The Trammps, «Le SVP» von Chic, «SVP Can Say Goodbye» von Gloria Gaynor, «SVP Down» von Diana Ross …).

Es ist ein Problem, dass Politik, vor allem in der Schweiz, nur noch Show ist und gar keine Politik mehr. Auch die Sessionen wirken wie Abendunterhaltungen und weniger wie seriöse Arbeit. Immer weniger Bürger:innen wissen, dass etwa Gesetzestexte nicht auf Youtube sind, und auch nicht farbig und mit Bildchen und Herzchen garniert, sondern schwierig geschrieben, mit Buchstaben und so, und das ist das, was man so lesen oder schreiben können muss, wenn man etwas mit Politik macht. Nicht singen und tanzen und den Löli machen.

Deshalb bin ich auch dafür, dass dem SRF das Geld gekürzt wird um 135 Franken pro Bürger:in. So kann genau die gefühlte Sendezeit eingespart werden, in der die Politiker:innen der beiden Tanzparteien übers Jahr im Fernsehen zu Wort kommen, die die Initiative «200 Franken sind genug!» unterstützen.

Die «Weltwoche» mokierte sich über Fotos von tanzenden jungen Ukrainer:innen in Lwiw, tausend Kilometer von der Front entfernt. Es könne ja nicht sein, dass in einem Kriegsland getanzt werde, oder aber ein Land könne sich nicht im Krieg befinden, wenn die Leute tanzten. Deshalb hat der SVP-Guru in Moskau ja auch den Begriff «militärische Spezialoperation» erfunden, damit die Moskauer Bourgeoisie weiterhin an den rauschenden Bällen der Hauptstadt tanzen darf, obwohl sich Russland im Krieg befindet.

Auch der Schweiz geht es offensichtlich gut, wenn die SVP in ihrem Wahlkampf tanzt. Ich persönlich finde es aber sehr unpassend, in der Partei dem Discofox zu frönen, während der SVP-Finanzminister seine Arbeit wegen keiner Lust nicht gemacht hat. Der Niedergang der Credit Suisse hat auch viel mit dem ehemaligen SVP-Bundesrat zu tun, der die Finma zu beaufsichtigen hatte, die (Achtung: Die folgende Aussage kann verletzend sein, ist aber von mir, nicht von Otto Waalkes) total blind war.

Die Credit Suisse ist kein Thema im Wahlkampf. Aber die Linke schlachtet das nicht aus, was ja ganz fair, nicht verletzend und anständig ist. Nur ist das nicht das, was es jetzt braucht. Ein wortgewaltiger Ausbruch dazu von Jacqueline Badran auf Youtube könnte Wunder wirken. Sie kann ruhig auch dazu tanzen. Man kann auch mal vom Gegner lernen (keine Angst vor «Gegnerwahnsinn»).

Ruedi Widmer mag Discomusik aus den USA lieber als aus der Schweiz und wohnt lieber in der Schweiz als in den USA.