Auf allen Kanälen: Wehrschütz schlägt Wellen

Nr. 35 –

Der ORF-Ukraine-Korrespondent macht mit prorussischen Aussagen von sich reden. Nun ging der Sender russischer Propaganda auf den Leim.

ORF

Seit mehreren Wochen steht der öffentlich-rechtliche Rundfunk in Österreich in der Kritik. Im Zentrum steht Christian Wehrschütz, der Ukraine-Korrespondent des ORF. Der 61-Jährige fällt immer wieder mit prorussischen Tendenzen in seiner Berichterstattung auf. Zwei Tage nach Beginn des russischen Angriffskriegs, am 26. Februar 2022, veröffentlichte Wehrschütz einen Cartoon auf seiner Facebook-Seite, der eine Kriegsschuld der Nato nahelegt. Darin haut die Maus «Nato» der schlafenden Bulldogge «Russland» mit einem Holzscheit auf den Hintern und drückt ihr dann Kater «Ukraine» in die Hand. Ebenso auf Facebook verbreitete Wehrschütz Meldungen von Russia Today (RT) und Sputnik – beide Sender sind mittlerweile in der EU verboten. Am ukrainischen Nationalfeiertag letzte Woche postete Wehrschütz kommentarlos einen Zeitungsartikel, dessen Untertitel lautet: «Der Sieg für Putin könnte in Sicht sein.» 2018 verlor er wegen seiner Berichterstattung die Einreiseerlaubnis in die Ukraine – er erhielt sie erst auf Druck der österreichischen Bundesregierung zurück.

Ungefiltert ausgestrahlt

Nun schlägt Wehrschütz wieder Wellen. Der ORF sei «russischer Propaganda voll in die Falle» getappt. So formuliert es Faktenchecker Andre Wolf vom Medienwatchblog «Mimikama» im Sender Puls24. Was war geschehen? Die ORF-Hauptabendnachrichten bebilderten einen Beitrag vom 15. August, in dem es unter anderem um Korruption in der Ukraine ging, mit zwei Videos, die äusserst brutale Festnahmen zeigen. «Beispiele dafür, dass nicht alle Männer bereit sind, für ihr Land zu kämpfen», so der O-Ton dazu. Tatsächlich haben die Videos aber nichts mit Korruption zu tun, sondern zeigen unter anderem die Festnahme eines russischen FSB-Spions. Sie dürften über prorussische Kanäle zum ORF gelangt sein und wurden dort ungefiltert ausgestrahlt.

Von Journalist:innen darauf hingewiesen, antwortete die ORF-Pressestelle zunächst pampig. «Dem ORF ‹russische Propaganda› zu unterstellen, ist absurd und richtet sich von selbst.» Die betreffenden Videos habe der Sender «über eine verlässliche und vertrauenswürdige Quelle erhalten». Nach breiter medialer Kritik und zwei Tage nach der Ausstrahlung gestand der ORF schliesslich Fehler ein. Bis zur Richtigstellung in den Nachrichten dauerte es noch einen Tag länger. Wie es dazu kam, gleich zwei Propagandavideos in einen nur zweiminütigen Beitrag einzubauen? Dazu gibt der Sender auf Nachfrage der WOZ keine Antwort. Auch andere Fragen, etwa inwiefern er gegen die Übernahme von Desinformation vorgehen möchte, liess er unbeantwortet.

«Der Fehler wird mir eine Lehre sein, der erste in 23 Jahren Korrespondent. An der Richtigkeit des Beitrags ändert der Fehler nichts!», twitterte Wehrschütz, der seit 2013 der alleinige Ukraine-Korrespondent des ORF ist. Das journalistische Handwerk erlernte er eigenen Angaben zufolge bei der rechtsextremen Zeitschrift «Aula». Seit 1991 ist er beim zur Objektivität verpflichteten ORF. Bis 2002 war er Mitglied der prorussisch auftretenden FPÖ.

Wehrschütz sah sich infolge seines «ersten» Fehlers veranlasst, seine Kontakte in die grösste Zeitung Österreichs spielen zu lassen. Nur Minuten nach der ORF-Richtigstellung erschien sein «Brief an die Krone-Leser», in dem er erklärt, er habe «keine prorussische Haltung». Ausserdem behauptet er, die Ukraine habe bei der Korruptionsbekämpfung noch «keinen grossen Fisch» ins Gefängnis gebracht. Dies ist nachweislich falsch – so wurde der hochrangige Kiewer Richter Mykola Chaus zu einer zehnjährigen Haftstrafe wegen Korruption verurteilt.

Er weiss sich zu helfen

Unter den ORF-Mitarbeiter:innen ist der Unmut über Wehrschütz seit Jahren gross. Er sei jedoch wegen seiner guten Kontakte zur ÖVP-nahen Generaldirektion wie auch in die österreichische Spitzenpolitik unantastbar, heisst es. Tatsächlich rückten prompt ein Sprecher des Bundesheers und einer des Bundeskanzleramts auf Twitter aus, um Wehrschütz zu verteidigen. Der aber weiss sich ohnehin zu helfen: Seine Bücher sind Bestseller, in den sozialen Medien folgen ihm Zehntausende. Und wenn nichts anderes hilft, schickt Wehrschütz seine Anwälte gegen Kritiker:innen los. Ob der ORF für die Kosten aufkommt? Auch diese Frage wollte der Sender nicht beantworten.