Auf allen Kanälen: Orbanisierung in Wien

Nr. 5 –

Die rechtspopulistische FPÖ will in Österreich den unabhängigen Journalismus schwächen. Das erste Opfer ist der ORF.

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Einschüchterung und persönliche Diskreditierung sind gängige Mittel rechter Politik. In Österreich sind sie längst an der Tagesordnung. Kürzlich stellte Harald Vilimsky, der FPÖ-Delegationsleiter im EU-Parlament, den Namen sowie Mailadresse und Telefonnummer einer von ihm kritisierten ORF-Mitarbeiterin auf der Plattform X. Diese hatte im Zuge einer Interviewanfrage als Thema «eine mögliche Rechtsaussen-Regierung in Österreich» angekündigt. Vilimsky empfand den Begriff «rechtsaussen» als übergriffig – und hatte keinerlei Hemmung, persönliche Daten online zu stellen, um Hass auf eine Journalistin zu lenken.

Solche Angriffe haben Methode, und der Plan dahinter ist bedrohlich: Bereits in einer Chatgruppe von Vilimsky im April 2018 war davon die Rede, dass im ORF «endlich offensiv aufgeräumt» werden müsse. Damals war Sebastian Kurz (ÖVP) siebzehn Monate lang in einer Koalition mit der FPÖ, durch die «Ibiza-Affäre» wurde die Regierung im Mai 2019 gesprengt. Die geplante ORF-Zerschlagung blieb Zukunftsmusik. Nun ist die FPÖ erneut an der Macht, vieles spricht dafür, dass FPÖ-Chef Herbert Kickl neuer Bundeskanzler wird. Er macht keinen Hehl daraus, dass der ungarische Ministerpräsident Viktor Orbán, der den öffentlich-rechtlichen Rundfunk 2010 auf Regierungslinie brachte, für ihn ein Vorbild ist. Natürlich stellt sich da die bange Frage: Was hat die FPÖ mit dem ORF vor?

Der ORF als Eigentum

Für Kickl bedeutet das Kürzel ORF «O für Organisierte, R für Regierungs- und F für Fake News». Er tobte gegen dessen «Feministen-Gender-Woke-Geschwader». Bei den aktuellen Regierungsverhandlungen zwischen FPÖ und ÖVP stehen die Medien ganz oben auf der Agenda. Man wolle über hundert Millionen Euro allein beim ORF einsparen, hiess es vergangene Woche. Zugleich diskutiert man die Abschaffung der ORF-Haushaltsabgabe (15,30 Euro pro Monat). Das öffentlich-rechtliche Medienhaus solle sich künftig über Steuern finanzieren, was einen massiven finanziellen Einbruch bedeuten würde. Laut Gerüchten soll der Jugendradiosender FM4 eingestellt werden, dafür startet ein österreichweites FPÖ-Radio. «Partei-Propaganda statt unabhängiger Berichterstattung», warnen ORF-Journalist:innen in einem auffallend scharf formulierten offenen Brief: «Die Zerstörung des ORF beginnt.»

Um zu verstehen, wie wichtig der ORF ist, muss man sich die Zahlen ansehen: Fast achtzig Prozent aller Österreicher:innen ab vierzehn Jahren nutzen das Angebot täglich. Eine solche Machtkonzentration ist anfällig für politische Manipulation. Hinzu kommt: Bereits im Oktober 2023 beurteilte der Verfassungsgerichtshof die Zusammensetzung der ORF-Gremien als teilweise verfassungswidrig, weil die politische Einflussnahme zu gross sei. Der Stiftungsrat, das Kontrollgremium des ORF, wird von Bundesregierung, Bundesländern und Parteien im Nationalrat beschickt – das macht allein 24 der insgesamt 35 Räte aus. Kein Wunder, dass politische Parteien den ORF als ihr Eigentum betrachten.

Verschleppte Reformen

Österreich ist ein kleines Land mit einem gros­sen Problem, wenn es um kritische Öffentlichkeit geht: Nirgendwo in Europa dominieren so wenige Unternehmen den Medienmarkt. Die Zahl der gedruckten Tageszeitungen liegt nur mehr bei zwölf, während in der Schweiz nach wie vor über vierzig Titel erscheinen, in Schweden mehr als neunzig. Die verkaufte Auflage des Boulevardblatts «Neue Kronen Zeitung», das oft rechtspopulistische Meinungen vertritt, lag 2024 bei rund 540 000 Exemplaren. Politische Parteien kaufen Inserate in der «Krone», um ein gutes Klima für sich zu schaffen – oder mit Geldentzug zu drohen.

2022 stürzte Österreich im Pressefreiheitsindex, den die NGO Reporter ohne Grenzen regelmässig veröffentlicht, um vierzehn Plätze ab und landete auf Rang 31 von 180 Ländern. Heuer ist man um einen weiteren Platz nach hinten gerückt. Dringend nötige Medienreformen wurden jahrelang verschleppt.

Unter einer rechten Regierung wird sich das rächen. Die FPÖ hatte bei der Änderung der Rundfunkgebühren im Vorjahr, die nun pro Haushalt erhoben werden und unabhängig davon sind, ob man ein TV- oder ein Radiogerät besitzt, Stimmung gegen diese «Zwangsgebühr» gemacht. Wie praktisch: Nach jahrelanger Diskreditierung des ORF gibt es womöglich weniger Proteste, wenn man nun kritischen Journalismus zu Tode spart.