Leser:innenbriefe

Nr. 42 –

Viel eleganter

«Wahlaufruf: Plötzlich diese frische Luft», WOZ Nr. 41/23

In seinem dringenden Wahlaufruf sagt der Redaktor vollmundig, es gebe im Bundeshaus zwar Lobbying, aber keine «offene Korruption». Das mag zutreffen, wenn man darunter bloss Geldköfferchen und -umschläge versteht. Die Schweiz löst das viel eleganter. Jeder Parlamentarier oder Bundesrat kennt den Tarif: Bei unternehmerfreundlichem Verhalten winken nach dem Amt lukrative Verwaltungsratsmandate. Ein unrühmliches Beispiel war der nahtlose Wechsel des SP-Bundesrates Moritz Leuenberger vom Bundesrat zur Implenia (Honni soit qui mal y pense!). Aber auch die jetzige Anstandsfrist ist viel zu kurz, um eine verdeckte Interessenbindung zu verhindern. Dass bis vor kurzem Bestechungsgelder als «Gewinnungskosten» von der Steuer abziehbar waren, steht auf einem andern Blatt.

Max Hilfiker, Zürich

Nachhaltige Friedenslösung

WOZ-Berichterstattung «Krieg in Nahost», WOZ Nr. 41/23

Ich beklage den Verlust aller Menschenleben, israelischer und palästinensischer, sei es durch den Hamas-Angriff oder durch Israels Vergeltungsmassnahmen. Aber ich teile die Meinung von Amira Hass, israelische Journalistin bei «Haaretz»: «In wenigen Tagen erlebten die Israelis das, was die Palästinenser:innen seit Jahrzehnten routinemässig erleben: militärische Übergriffe, Tod, Grausamkeit …»

Wir sollten den Kontext sehen, die jahrzehntelange brutale Unterdrückung des palästinensischen Volkes. Die tägliche Gewalt hat mit der neuen ultrarechten Regierung enorm zugenommen. Die einzige Möglichkeit, die Gewalt zu beenden und alle Leben in Palästina/Israel zu retten, besteht darin, eine nachhaltige Friedenslösung zu finden.

Margrith Nagel, per E-Mail

Dass die WOZ in ihrer Berichterstattung zu Israel einmal mehr betont, der Terror der Hamas sei durch nichts zu rechtfertigen, und anschliessend ebenselbiges trotzdem tut, ist das eine. Die Bildsprache das andere. Während das Bild auf der rechten Seite Menschen im Gazastreifen in den Trümmern ihrer Häuser zeigt und damit Empathie weckt, zeigt dasjenige auf der linken Seite den Beschuss der Hamas Richtung Israel. Nicht nur wird dieser durch das Bild rechts legitimiert, vielmehr werden auch keine jüdischen Opfer gezeigt, der absolut menschenverachtende Angriff der Hamas hätte dazu, zynisch gesagt, genug Bildmaterial geliefert. Was macht einen Teil der Linken derart unfähig, Empathie mit Jüdinnen und Juden zu empfinden und Solidarität zu zeigen?

Simone Wassmer, per E-Mail

Nicht nachzuvollziehen

«DJ Marcelle: Noch so eine gepflegte Überraschung», WOZ Nr. 41/23

Ich danke euch für eure oft ausgewogene Berichterstattung. Insbesondere freue ich mich, wenn euer verdienstvoller Gastautor Mirko Schwab einen Artikel zur WOZ beisteuert. In dieser Woche hinterlässt die redaktionelle Entscheidung, den Artikel über DJ Marcelle in dieser Form und insbesondere im Kontext der inhaltlichen Ausrichtung der restlichen Ausgabe zu veröffentlichen, grosse Fragezeichen bei mir.

Mich verstört hier vor allem die beiläufige Art, wie – im Zwiegespräch mit DJ Marcelle – über die Genialität der Musik von Muslimgauze sinniert wird, welcher sich in seinem Werk intensiv mit der Thematik der Landnahme und Unterdrückung von muslimischen Kulturen beschäftigt hat. Dafür, dass die künstlerische Genialität eines Muslimgauze ideologisch durch Israelhass und offenen Antisemitismus unterfüttert ist, findet der Artikel leider keine Sprache. Sondern ergeht sich in einem entschuldigenden Wort, dass manches aus politischer Sicht «befremdet», wofür sich der Künstler eingesetzt habe.

Muslimgauze in seiner politischen Einstellung von seinem Werk zu trennen, kann in Zeiten von oft moralinsauer geführten Debatten sicherlich interessant sein. Vor dem Hintergrund der aktuellen Ereignisse kann ich den Versuch einer rehabilitierenden Rezeption von Muslimgauze allerdings nicht nachvollziehen. Auch wenn der Autor hier mit Sicherheit eine gut überlegte Argumentation vorlegt, halte ich diese in der Form verkürzt und den Veröffentlichungszeitpunkt des Artikels als schlecht gewählt.

Thomas Schröder, per E-Mail