Film: Ausstieg aus der Bruderschaft
Spätestens beim Abspann hinterlässt «Polish Prayers» ein Gefühl diffuser Vertrautheit. Vielleicht wegen der kompromisslosen Sprache, mit der die Regisseurin Hanka Nobis durch ihren Dokumentarfilm führt. Vor allem aber ist es der Protagonist ihres Debüts, der einen eindringlich in den Bann zieht: Antek, 22 Jahre alt, ist ein junger Mann voller Widersprüche, Fragen und Muskeln. Wenn er sich zum Beispiel in einem kleinen Bach wäscht, macht er das hemmungslos und zugleich verhalten; viel zu maskulin, aber auch intim und nahbar. Über vier Jahre folgen wir Antek im Alltag und beim Erwachsenwerden.
Den Weg dorthin beginnt er im Überlebenscamp einer ultrakonservativen Bruderschaft. Mit einer Axt schlägt Antek ein Kreuz in einen Baum, stimmt dann gemeinsam mit den anderen jungen Männern ein Gebet an. Die Kamera liegt ruhig, bewegt sich langsam. Wir beobachten ein Dutzend junger katholischer Nationalisten, deren aufstrebender Anführer er ist. Die Welt dieser Rechtsradikalen wird dabei so unbefangen und wertfrei erzählt, dass die Nähe zu den faschistoiden Ideen fast schmerzt. Gesichter, Körper und Dialoge, aber keine Offstimme, keine Interviews. Die Kamera porträtiert Antek und seinesgleichen, ohne zu verkitschen oder zu glorifizieren, aber auch ohne gröberen Kontext.
Geradezu verwirrend ist diese unmittelbare Nähe – aber auch politisch aufschlussreich. So verstehen wir erst durch diese Intimität, dass Anteks rechte Ideologie vor allem auf zwischenmenschlichen Beziehungen basiert. Dann beginnt sein Glaube zu bröckeln. Antek lernt seine erste Freundin kennen. Ein Kuss im rot-weissen Meer polnischer Flaggen, der erste Lachflash auf dem Sofa nach dem Kiffen. Es ist die Begegnung mit Vertrautheit, die Antek seine Gesinnung zunächst überdenken und dann überwinden lässt.
«Polish Prayers» liefert wenn auch keine politische, so doch eine ästhetische Antwort: Aufgeschlossenheit. Nicht gegenüber der rechtsradikalen Szene und ihren politischen Inhalten. Vielmehr bleibt gegenüber dem jungen Protagonisten der Blick stets offen, so widersetzt sich der Film der Idee, Dogma mit Dogma zu bekämpfen. Diese Offenheit, die langen Takes und die lebendige Kameraführung: Sie wirken auch am Ende des Films nach. Antek ist dann schon, langsam und doch plötzlich, auf der anderen Seite des Spektrums angekommen.