«Königreich Deutschland» in Basel: Grössenwahn im Jugendstil
Deutsche Reichsbürger:innen expandieren in die Schweiz. In einer Basler Villa trifft man sich zum «Teamaufbau». Was sind die Pläne der Gruppierung?
Durchs grossbürgerliche Basler Gellertquartier weht der Geist der Sezession. Ein Mann hat einen Zettel unter die Windschutzscheibe seines Autos geklemmt, auf dem steht, er bezahle keine Bussen fürs Falschparken: «Hier parkiert ein MENSCH auf allodialem Boden = Gemeingut.» In einem weitläufigen Park mitten im Quartier steht die Jugendstilvilla der Freien Musikschule, es herrscht reges Treiben.
Das Königreich Deutschland (KRD) hat hier Anfang November zu einem Treffen zwischen deutschen und Schweizer Reichsbürger:innen geladen. Gesucht werden Kaderleute, um von der Schweiz aus die «Erneuerten Vereinten Nationen» aufzubauen. Rund vierzig Mitglieder des sogenannten Königreichs Deutschland werden den «Auftakt Teamaufbau» in den prunkvollen Sälen zelebrieren.
Ein Mann, der sich als «Bernd vom Leuchtturm-Team» vorstellt, erkennbar am Hemd mit eingesticktem Wappen des Königreichs, kontrolliert alle Ankommenden. Das Leuchtturm-Team ist der Ansprechpartner für am Königreich Deutschland Interessierte. Ansässig in Düsseldorf, fungiert es als Propagandaarm von Peter Fitzek, dem selbstgekürten König des KRD. Um Fitzeks Ruf ist es schlecht bestellt: Er hat bereits mehrere Haftstrafen wegen Veruntreuung verbüsst und steht aktuell wegen Körperverletzung vor Gericht.
Auch «Leuchtturm» Britta ist hier und begrüsst die ankommenden Gäste in der Musikschule. Sie betreibt einige Telegram-Kanäle des KRD. Eine Abgrenzung zu justiziablem Antisemitismus und Rechtsextremismus gibt es hier nicht. Unter anderem ist Frank Krämer, ein bekannter Neonazi und Gitarrist der rechtsextremen Band Stahlgewitter, Mitglied im KRD-Chat, Britta bedankt sich an einer Stelle «für seinen Mut und seine Öffentlichkeitsarbeit». Weniger Freude haben Britta und das Leuchtturm-Team an der WOZ, die in der Eingangskontrolle hängen bleibt.
Antidemokratisches Universum
Das Königreich Deutschland mit rund 7000 Mitgliedern wurde 2012 gegründet. Die Gruppe zeigt sich offen antisemitisch, zudem bestehen Verbindungen zur völkischen Anastasia-Bewegung und anderen rechtsextremen Gruppen. Das KRD hat ein eigenes antidemokratisches Universum geschaffen. Es kauft in Sachsen Grundstücke, um «Gemeinwohldörfer» zu errichten, unterhält eine alternative «Engelswährung», die «E-Mark», eine eigene Krankenversicherung für Ungeimpfte, die nur Leistungen von Heilpraktiker:innen erstattet, sowie die Handelsplattform «KaDaRi» – eine Art eBay für Staatsverweiger:innen. Alles mit dem Ziel, den Ausstieg aus dem bestehenden System zu ermöglichen.
Der deutsche Verfassungsschutz warnt nachdrücklich vor der extremistischen Natur des KRD. Begründet wird das mit der Waffenaffinität von Reichsbürger:innen und mit ihren Siedlungsbestrebungen. Die Behörden warnen auch vor der Mitgliedschaft im KRD und dessen Unterorganisationen, da es sich um Fantasiestrukturen handle. Mitglieder investieren oft ihr Erspartes in dieses Konstrukt und verlieren alles.
In den letzten Monaten fand im deutschsprachigen Raum eine Reihe von Treffen statt, um Parallelsysteme auszubauen, die ausserhalb der staatlichen Besteuerung operieren; das KRD nennt diese Organisationen «Gemeinwohlbetriebe». Im Kleingedruckten wird auch vor der Veranstaltung in der Basler Musikschule darauf hingewiesen, dass die Teilnehmer:innen während des Seminars temporär Teil des Königreichs Deutschland seien und sich dessen Verfassung, dessen Gesetzen und dessen Gerichtsbarkeit zu unterwerfen hätten.
«Königreich Toggenburg»
Die Freie Musikschule finanziert sich hauptsächlich über Schulgelder. Unterstützt wird sie von anthroposophischen Kreisen und der milliardenschweren Christoph-Merian-Stiftung.* Eine Ärztin aus dem Basler Umland bildet die Schnittstelle zwischen KRD und Musikschule. Als die WOZ den Musikschulvorstand mit der Recherche über die Veranstaltung konfrontiert, distanziert sich dieser in aller Form von den Reichsbürger:innen und der Veranstaltung. «Wir wussten nichts davon. Und das ist nicht gut», schreibt Philipp Rapold. Man habe «leichtgläubig und mit einer Portion Naivität» den Saal an eine Organisation namens «Leucht-Turm-Seminar»* vermietet. Die Musikschule habe «weder Verbindungen zu dieser Organisation, noch teilen wir ihr Gedankengut», schreibt Rapold. Auch die Christoph-Merian-Stiftung, der die Villa gehört, distanziert sich und verspricht: «Eine weitere Vermietung an extreme und extremistische Organisationen wird nicht mehr vorkommen.»
Die Schweiz ist seit einiger Zeit interessantes Territorium für deutsche Reichsbürger:innen. Gerade seit der Coronapandemie haben die Aktivitäten stark zugenommen. So kaufte ein dem KRD nahestehendes Unternehmen in Speicher in Appenzell Ausserrhoden das Hotel Appenzellerhof, um es zum KRD-Zentrum umzubauen. Und letzten Herbst tourte ein KRD-Exponent durch die Schweiz. «Zusammen sind wir stark und können die Veränderung für alle bewirken!», verkündete der Mann. Die krude Behauptung: Das aktuelle System würde Menschen zu «Personen» machen, die dadurch ihr Geburtsrecht verlieren würden. Abhilfe schaffen könnten nur eigene Strukturen.
«Ist ein Königreich Toggenburg möglich?», hiess eine KRD-Veranstaltung vergangenen Herbst. Wahnwitzig – aber für einige sehr verführerisch.
*Korrigenda vom 16. November 2023: In der Printausgabe und in der ersten Onlineversion dieses Textes hiess es, der Saal sei an eine Organisation namens «Leucht-Team-Seminar» vermietet worden. Ferner hiess es, die Freie Musikschule finanziere sich über anthroposophische Kreise und die Christoph-Merian-Stiftung. Tatsächlich finanziert sie sich hauptsächlich über Schulgelder.