Film: Die Klinik auf dem Fluss

Nr. 50 –

Filmstill aus «Sur l’Adamant»
«Sur l’Adamant». Regie: Nicolas Philibert. Frankreich 2023. Jetzt im Kino.

Der Gewinn des Goldenen Bären hat «Sur l’Adamant» mehr Aufmerksamkeit beschert, als ein Dokumentarfilm über eine Tagesklinik für psychisch kranke Menschen sonst erwarten könnte. Dem neuen Film von Nicolas Philibert ist das nicht unbedingt zuträglich. Philibert ist ein Meister der immersiven und zugleich beiläufigen Beobachtung: Mit «Être et avoir», dem Porträt eines Dorfschullehrers, gelang ihm 2002 ein veritabler Hit. Das Thema von «Sur l’Adamant» ist ihm auch nicht neu; bereits 1995 filmte er in «La moindre des choses» den Theaterworkshop einer psychiatrischen Klinik.

Doch in einer Tagesklinik wie der «Adamant», einem Hausboot auf der Seine, ist es gar nicht so einfach mit dem beiläufigen Beobachten. Die Menschen, die hier das Beratungsangebot nutzen, an der Mitbestimmung teilhaben oder in diversen Workshops künstlerischen Tätigkeiten nachgehen – musizieren, malen oder kochen –, reagieren mit erhöhter Empfindsamkeit auf Kameras. Die üblichen Verhaltensverabredungen, wenn gefilmt wird, scheinen hier weniger akzeptiert. Manche können es nicht lassen, Fragen zu stellen: «Wer seid ihr?» Umgekehrt muss der Dokumentarist darauf achten, seine Protagonist:innen nicht durchs blosse Draufhalten zu entblössen.

Einige wenige Protagonist:innen lernt man ein bisschen besser kennen, dennoch bleiben ihre Schicksale fragmentarisch. Fast zu deutlich wird in dieser Zurückhaltung Philiberts Ansinnen, keinen Unterschied zwischen «normal» und «psychisch krank» abbilden zu wollen. Die einzelne Person so zu nehmen, wie sie ist, ohne dabei mit den Eigenheiten auch die Krankheit herauszustellen: Dieser Dialektik zeigt sich der Film nicht immer gewachsen.

Wie um zu vermitteln, schaltet Philibert immer wieder zu atmosphärischen Aufnahmen der «Adamant»: weniger ein Schiff als ein schwimmendes Gebäude von feinstem Architekturdesign. Das verleiht dem Film einen Rhythmus der Beschaulichkeit, der fast zu sehr glättet, was in den Gesten und Gesichtern der Mitwirkenden rau, aufwühlend und oft genug traurig erscheint.