Was weiter geschah: Plötzlich eine Mehrheit für die Minderheiten
Die Kapriole der bürgerlichen Parlamentsmehrheit ist blamabel. Auch wenn die Geschichte jetzt ein glückliches Ende gefunden hat. Der Nationalrat hat den Antrag der SP-Nationalrätin Sarah Wyss, mehr Geld für den Schutz von Minderheiten zu sprechen, angenommen. Neu sollen 5 statt wie bisher 2,5 Millionen Franken zum Schutz von Synagogen, Moscheen sowie von LGBTQ+-Communitys zur Verfügung stehen. Die rechte Mehrheit in der Finanzkommission des Nationalrats hatte diese Verdoppelung in der Vorberatung noch abgeschmettert. Angesichts antisemitischer Sprayereien wie auch antimuslimischer Ressentiments im Zuge des Nahostkriegs hatte der Entscheid in der Öffentlichkeit für Irritationen gesorgt.
In der laufenden Wintersession berät das Parlament über das Bundesbudget. Am Montag verabschiedete der Nationalrat seinen Vorschlag mit einer Mehrheit von gerade einmal vier Stimmen. Es geht bekanntlich um sehr viel Geld: Die geplanten Bundesausgaben belaufen sich insgesamt auf rund 90 Milliarden Franken. Die zusätzlichen 2,5 Millionen Franken, die Wyss für den Schutz von Minderheiten beantragt hatte, kann der Bund hingegen aus der Portokasse bezahlen. In der Ratsdiskussion ruderten die Bürgerlichen denn auch zurück. Mitte und FDP befürworteten Wyss’ Antrag. Sogar der Bundesrat sprach sich dafür aus. Das reichte letztlich locker für eine Mehrheit in der grossen Kammer. Der Ständerat hatte bereits letzte Woche einem gleichlautenden Einzelantrag von FDP-Mann Thierry Burkart zugestimmt. Damit ist die Budgeterhöhung gesichert.
Eine «grosse Erleichterung» sei das, sagt Sarah Wyss. «Jetzt können die betroffenen Stellen und Organisationen fest mit der Aufstockung planen.» Auch wenn die endgültige Verabschiedung des gesamten Bundesbudgets noch bevorsteht. Der Stimmungsumschwung in der Ratsdebatte sei für sie nicht überraschend gekommen, sagt die Basler Nationalrätin. «Ich setzte bei diesem Geschäft von Anfang an mehr Hoffnung in den Rat als in die Kommission.» Dass diese sich anfänglich gegen die geringfügige Erhöhung des Budgets ausgesprochen hatte, sagt viel über die Arbeitsweise des bürgerlichen Machtkartells in Bundesbern aus. Sarah Wyss: «Die Finanzkommission lehnt – ohne sich gross damit auseinanderzusetzen – fast alle Anträge von links von vornherein ab.» Das sei «sehr bedauerlich» und erschwere die Arbeit in der Kommission.
Nachtrag zum Artikel «Reiches, knausriges Land» in WOZ Nr. 48/23.