Was weiter geschah: Effy-Besetzer:innen – keine Kollektivstrafe

Nr. 3 –

Der Gerichtssaal des Berner Obergerichts gleicht einem Verlies. Das Tiefparterre ist nur über ein enges, weitverzweigtes Treppen- und Flurlabyrinth erreichbar. Wer hier am Donnerstag letzter Woche zur Verhandlung geladen war, musste mehrere Polizisten passieren, die im und vor dem Eingang des Gerichts postiert waren – man markierte Präsenz. Anberaumt war die Urteilsverkündung im Verfahren gegen die ehemaligen Besetzer:innen der «Effy29».

Fast sieben Jahre ist es schon her, seit die Polizei gummischrotend und pfeffersprayversprühend das besetzte Gebäude an der Effingerstrasse in Bern stürmen wollte und dabei auf Gegenwehr stiess: Feuerwerk wurde gezündet, Gegenstände flogen. 2021 verurteilte das Regionalgericht Bern-Mittelland alle sechzehn Personen, die damals im Haus waren, wegen Hausfriedensbruch – sprach sie aber vom Vorwurf der Gewalt und Drohung gegen Beamte frei: Es konnte nicht bewiesen werden, wer was getan hatte. In der Folge wurde die Gerichtspräsidentin scharf kritisiert, die Staatsanwaltschaft und zwei Polizisten zogen das Urteil weiter. Doch das Obergericht hatte es mit der genau gleichen Beweislage zu tun, folgerichtig bestätigten Gerichtspräsident Jean-Pierre Vicari (SVP) und sein Kollegium das Urteil: nicht schuldig der Gewalt und Drohung gegen Beamte, schuldig des Hausfriedensbruchs – bedingte Geldstrafen, zwei Jahre Probezeit und die Übernahme eines kleinen Teils der Gerichtskosten.

Die ehemaligen Effy-Besetzer:innen atmeten hörbar auf, die sechzehn Anwält:innen blieben ungerührt, als hätten sie mit nichts anderem gerechnet. Das Urteil war auch eine Absage an die Berufungslust der Staatsanwaltschaft, die für Besetzer:innen praktisch eine Kollektivstrafe gefordert hatte. «Unerträglich» wäre es, sagte der Richter, eine unschuldige Person fälschlich zu verurteilen. Ob sich Einzelne von den «Gewaltanwendungen» anderer hätten distanzieren können, wie es die Anklage behauptet hatte, sei «eher fraglich», es sei unübersichtlich gewesen, die Sicht schlecht, es habe ein «ohrenbetäubender Krach» geherrscht. Und als Bewohner:in in so einer Situation die Polizei anzurufen, sei auch schwierig – «wenn sie ja schon da ist». 

Nachtrag zum Artikel: «‹Effy29›-Prozesse: Nicht mitgefangen» in WOZ Nr. 25/21.