Leser:innenbriefe

Nr. 8 –

Toll und berührend

«Kunst in Alterszentren: Die Spur führt zu Frau Diggelmann», WOZ Nr. 6/24

Ich fange immer mit den «WOZ News» an. Fast das Einzige, das noch Spass macht zu lesen. Und nun heute diese tolle und berührende Geschichte. Dominant auf drei Seiten und nicht irgendwo versteckt als Seitenfüller. Mehr davon wäre schön. Ich bin es leid, mir Seite für Seite das Elend dieser Welt um die Ohren hauen zu lassen. Ich habs mittlerweile begriffen. Meistens weiss ich schon bei der Überschrift, was ihr mir sagen wollt. Ab und an lese ich vielleicht noch den letzten Absatz. Das Einzige, was mich, alter weisser Mann, davon abhält, das Abo zu kündigen, ist der Kulturteil.

Peter Blaser, Kilchberg

Wozu lesen?

«Schullektüre: Leseschwäche oder bloss die falschen Bücher?», WOZ Nr. 7/24

Leider schiesst der Artikel zum Thema «Leseschwäche und Schullektüre» ein bisschen am Ziel vorbei. Das magere Leseniveau (Pisa-Studie) auf veraltete Schullektüre zurückzuführen, ist eine steile These. Der reale Deutschunterricht dürfte wesentlich vielfältiger sein als vom Autor geschildert. Diversität und Perspektivenvielfalt sind in vielen Schulen Tatsache. Dass Dürrenmatts Sprache (für Leseschwache) zu anspruchsvoll sei und mit der Lebensrealität der jungen Menschen von heute wenig zu tun habe, ist höchstens halbwahr. Wichtiger erscheint mir aber die Frage: Wozu lesen oder schreiben wir eigentlich?

Unlängst hat die Literatur- und Kognitionswissenschaftlerin Maryanne Wolf darauf hingewiesen, dass Onlinemedien uns andere Lesegewohnheiten aufzwingen als analoge Texte. «Deep Reading» sei gehaltvoller als das «Skimming» oder «F-Reading», bei dem wir möglichst schnell die wichtigsten Informationen abschöpfen. In eine Lektüre einzutauchen, ermögliche eine andere Verarbeitung und stimuliere eigene kreative Prozesse ausserhalb der Marktlogik. Wenn wir mehr und mehr an den Smartphones oder Tablets hängen, verlernen wir jedoch dieses «tiefere Lesen». Wolfs Fazit: Wir müssen beides können.

Die Psychologin Carol Dweck schildert das Beispiel einer Schule mit abgestempelten und ausgesonderten Lernenden in Chicago. Nicht durch Druck, sondern durch ein anderes Selbstbild entdeckten die jungen Menschen die Freude am Lernprozess mit der Folge, dass Siebenjährige das «Wall Street Journal» lasen und Ältere Platon, Tschechow, Shakespeare et cetera. All das ist möglich, wenn man einen kritischen Blick auf das Schulsystem hat und ein genaueres Verständnis der menschlichen Bedürfnisse. Bereits frühere Beispiele wiesen in diese Richtung (etwa der Film «Rhythm Is It!» von 2004 oder die Schülerschule von Barbiana in den fünfziger Jahren).

Sicher gehören auch jüngere Autor:innen auf die Leseliste (etwa Ayelet Gundar-Goshen oder Melinda Nadj Abonji), doch Geschlecht, Alter oder Herkunft sind als Kriterien nicht ausreichend. Auch ein sehr alter Text und eine komplett fremde Perspektive sind sehr wertvoll, wenn wir unsere Gegenwart und unsere individuelle Wahrnehmung spiegeln wollen. Ein paar Klassiker:innen zu kennen, ermöglicht ausserdem, eine Beziehung mit der Welt und der Kultur herzustellen, aus der Blase herauszutreten, in der uns die Bespassungsindustrie gerne halten möchte. So gesehen können Literatur und ein breiter Bildungsrucksack die Persönlichkeit junger Menschen stärken.

Peter Boller, Zürich

Rechte Remigration

«Protest gegen rechts: ‹Wir bleiben erst recht!›», WOZ Nr. 4/24

Ich kenne persönlich etliche Menschen, meist Italiener:innen, die nach ihrer Pensionierung remigriert sind – weil sie es sich leisten konnten und weil sie sich auf ihren Ruhestand in ihrem Heimatort freuten. Ich benutze diesen Begriff selber eigentlich nie, obwohl er für mich nur positiv besetzt ist. Die Rechten aber sollten von dem Wort einfach schweigen. Ihre «Remigration» meint schlicht: Deportation!

Petr Kuert, Huttwil