Leser:innenbriefe

Nicht nationalistisch
«Israel / Palästina und die Proteste: Für die Gleichheit aller Menschen», WOZ Nr. 20/24
«Für die Gleichheit aller Menschen»: Wer könnte den Titel nicht unterschreiben. Das Nachfolgende ist schon weniger klar, wenn nicht gar widersprüchlich. Kennt die WOZ den Inhalt und die Ziele des BDS-Boykottaufrufs? Ich kann mich an keinen WOZ-Artikel erinnern, der den Südafrika-Boykott infrage gestellt hätte. Ein Israel-Boykott jedoch könne mit sehr gutem Grund antisemitisch verstanden werden. Ich frage mich, ob die WOZ unterscheiden kann zwischen Antizionismus und Antisemitismus. Israel ist keine Person, sondern ein Staat, und gegen diesen ist der Boykott gerichtet, solange er mehrfach Menschenrechte und internationales Recht missachtet.
Palästinaflaggen sind ein Symbol für die Existenz und gegen das Vergessen des palästinensischen Volks, seiner Kultur und seiner Selbstbestimmung. Nicht umsonst sind sie in Israel verboten. Es flattern dafür umso mehr israelische im Wind von Gross-Israel, vielleicht auch im Versuch, die fehlende Verfassung wettzumachen. Der Redaktor schreibt, die palästinensischen Flaggen befeuerten den Nationalismus auf der israelischen Gegenseite und isolierten jene, die gegen Besetzung und Krieg sind. Gegen die Besetzung geht schon seit Jahren fast niemand mehr auf die Strasse in Israel, die Leute demonstrieren gegen Netanjahu und für einen Waffenstillstand.
Das Existenzrecht Israels wird oft bedingungs- und kommentarlos in den Raum gestellt, als jüdischer Staat spricht es jedoch einem palästinensischen letztendlich das Existenzrecht ab. Die allermeisten Protestierenden weltweit sind schon einen Schritt weiter, «Le monde diplomatique» – im Gegensatz zur WOZ – zum Glück auch: Sie fordern einen freien, demokratischen Staat mit gleichen Rechten für alle, «from the river to the sea». Eine eben gerade nicht sehr nationalistische Forderung.
Reini Hui, per E-Mail
Annehmlichkeiten schützen
«Tiefseediplomatie: Schatz am Meeresgrund», WOZ Nr. 16/24
Herzlichen Dank für den vorzüglich recherchierten Beitrag. Es erstaunt nicht, dass Schweizer:innen, obwohl fernab und dank der Billigfliegerei den Ozeanen doch sehr nahe, in Goldgräberstimmung verfallen und sich an vorderster Front an diesem «Meccano» beteiligen.
Auf Teufel komm raus werden nun wirklich alle – und damit meine ich wirklich alle – Register gezogen, um den gegenwärtigen Wohlstand mit all seinen schillernden Seiten und ausufernden Annehmlichkeiten zu schützen und zu erhalten.
Da sollen «wertvolle Knollen» aus den Tiefen des Meeres geholt und veredelt werden, ohne sich um die möglichen Auswirkungen und Folgen Gedanken zu machen. Es reicht offenbar nicht, dass in gewissen Köpfen nach Ideen und Lösungen gesucht wird, um CO₂, so quasi als Kompensation, in den gleichen Meeren zu versenken. Hauptsache, wir erhalten so alles, was wir zur Steigerung unseres wirtschaftlichen Wohlergehens benötigen, egal welche Sauerei wir den zukünftigen Generationen hinterlassen. Nicht der kleinste Hinweis auf weniger Konsum und Verschwendung (Kryptoschürfer lassen grüssen und danken).
Die oberste Leitung einer Volkspartei posaunte heute (13. Mai) folgende Prognose in den eidgenössischen Himmel, so quasi als der Weisheit letzter Schluss, dass der Strombedarf enorm steigen wird und nur mithilfe von neuen AKWs zu decken sei. Da stellt sich bei mir schon die Frage: Wie bekloppt sind wir eigentlich?
Kurt Koch, Luzern