Licht im Tunnel: Heilige Dreifaltigkeit
Michelle Steinbeck versucht, sich zu freuen

Während meiner Schwangerschaft hatte ich einen klaren Plan. Der Roman, an dem ich seit bald fünf Jahren arbeitete, sollte gemütlich vor der Geburt fertiggestellt und gedruckt werden. Im dreimonatigen Mutterschaftsurlaub sollte er dann von der Presse gelesen und bestenfalls besprochen werden, sodass er zum Erscheinungstermin gegen Ende meines «Urlaubs» schon etwas Bekanntheit erlangt haben würde. Dann wäre es auch nicht so schlimm, dass ich wegen meiner neuen Mutterrolle und des kleinen Säuglings weniger Lesereisen machen können würde.
Meine Hebammen nannten das Buchprojekt «dein anderes Baby». Obwohl ich den Vergleich noch nie besonders treffend fand, protestierte ich in diesem Fall nicht: Ihr Ausdruck bedeutete für mich, dass sie meine Arbeit als wichtigen Teil von mir anerkannten. Als Teil meines Lebens, dem ebenso liebevolle Aufmerksamkeit gegeben werden durfte wie dem wachsenden Baby, ohne dass meine Hingabe (was für ein Wort!) zum Kind dadurch geschmälert würde. Das half mir, mit dem schlechten Gewissen umzugehen, das Mütter offenbar schon vor der Geburt zu plagen beginnt. Wenn ich stundenlang schrieb und das Baby im Bauch schlief, konnte es passieren, dass ich es vergass. Manchmal stand ich auf und ging am Spiegel vorbei, um erstaunt aufzulachen: Ich hatte einen Bauch!
Obwohl ich spürte, dass das Baby zufrieden war; obwohl ich wusste, dass mein Wohlbefinden über Herzschlag, Hormone et cetera in das kleine Wesen übergehen würde; und trotz der Überzeugung, dass «eine gute Mutter sein» nicht bedeutet, «für das Kind» alles aufzugeben, fühlte ich manchmal, als würde ich das Baby vernachlässigen, als würde ich mich zu wenig kümmern. Besonders als wenige Wochen vor dem Geburtstermin klar wurde, dass mein Plan nicht aufgehen würde. Was ich tunlichst hatte vermeiden wollen, traf ein: Stress! Ich musste dieses Buch fertigkriegen! Oder sollte ich alles verschieben, auf unbestimmt?
Als ich jedoch merkte, dass ich für meine fordernde Arbeit nicht verurteilt wurde, fand ich eine pragmatische Lösung: Solange das Kind noch ruhig im Bauch war, würde ich so viel wie möglich am Buch arbeiten. Die Hebammen bestärkten mich, indem sie sagten: «Dein Kind hat eine Autorin als Mutter. Es kennt dich doch, wie du schreibst, das ist eure Realität.»
Was folgte, war eine Zeit, von der ich schon wusste, dass ich später verklärt auf sie zurückblicken würde. Schwer lag ich auf dem Sofa, Laptop auf den Beinen, schrieb und löste die noch anstehenden Probleme. Kam ich an einer Stelle nicht weiter, sprach ich zum Bauch, las ihm vor – was meinst du? Wir arbeiteten konzentriert, bis das Kind anfing zu strampeln: Pause! Essen! Hallo! Feierabend!
Wir hatten eine fantastische Work-Life-Balance. Tagelang gab es nur uns drei als organische Einheit: das Baby, das Schreiben, mich. Glücklich.
Als mit dem plötzlichen Tod unsere Welt zusammenbrach, wurde das Buch auf Eis gelegt. Druck noch einmal verschoben, Erscheinungstermin verschoben. Jetzt, Monate später, liegt das erste Exemplar im Briefkasten. Ich lache und weine. Dass mein Buch nun physisch hier ist und mein Baby nicht, ist unerträglich. Es ist falsch. Es müsste umgekehrt sein. Aber ich konnte nicht wählen. Ich wähle den Versuch, mich trotzdem zu freuen, dass das Buch da ist. Denn es ist keine Konkurrenz.
Michelle Steinbeck ist verwaiste Mutter und Autorin. Ihr neuer Roman «Favorita» erscheint am 30. Mai.