Im Affekt: Volkssport Hochschule
Der vor ein paar Monaten verstorbene linke Philosoph Antonio Negri war zeit seines Lebens Fan des Fussballklubs AC Milan (trotz Berlusconi!). In einem Interview erzählte er einmal, er sei in jungen Jahren sogar an der Gründung einer Ultragruppe namens «Brigate Rossonere» beteiligt gewesen (die nichts mit den späteren Roten Brigaden zu tun hatte). Negris Liebe für den Volkssport lag vielleicht darin begründet, dass er aus einer Familie stammte, die lange in bescheidenen Verhältnissen lebte. Bei anderer Gelegenheit erzählte er, dass sein Grossvater Landarbeiter gewesen war, der unter der harten körperlichen Tätigkeit gelitten hatte und deswegen sehr darauf bedacht gewesen war, dass seine Kinder zur Schule gingen. Opa hatte noch ganz genau gewusst, so Negri, dass Bildung eine Waffe sein kann, um sich den ärgsten Zumutungen der Wertschöpfungskette zu entziehen.
Wie dagegen sozusagen der Klassenfeind auf diesen Problemkomplex schaut, war jüngst in der «NZZ am Sonntag» nachzulesen. Schweizer Unis würden von wissbegierigen jungen Leuten überrannt, warnte das Blatt, sodass Bildung zunehmend zur «Massenware» werde und gar französische Verhältnisse drohten: Im Nachbarland werde bald schon «jeder Müllmann» ein Bac haben. Bon sang! Am Ende kommen die Proleten noch auf die Idee, den Reichen nicht nur ihren Platz im Hörsaal, sondern gleich ihre Villen zu nehmen.
Letzteres wäre umso schlimmer, weil eine Elite ohne Statussymbole kaum als Elite im strengen Sinn gelten darf. «Eine Gesellschaft braucht eine Elite», weiss man aber an der Falkenstrasse. Denn: «Menschen sind nicht gleich, und das ist schön so.»
Fast wäre man versucht, ein Praktikum in der Werkhalle, an der Supermarktkasse oder auf dem Uber-Eats-Velo zu verschreiben. Schweisstreibende Aktivitäten sollen ja dabei helfen, die Welt noch mal mit anderen Augen zu sehen.
Wahr ist aber auch: Finanziell steht der Numismatiker von heute meist schlechter da als eine Handwerkerin.