Was weiter geschah: Schwamendingen: Bleiben unmöglich
Vor der Tür des ockergelben Hauses steht eine alte Frau mit einem Blumenstrauss in der Hand. Hinter dem Haus habe es noch mehr Blumen, sagt sie. «Holt euch nur auch ein paar.» 63 Jahre lang lebte die Frau in der Siedlung Grosswiesenstrasse / Glattwiesenstrasse in Zürich Schwamendingen. Heute werde sie zum ersten Mal im Altersheim zu Mittag essen, sagt sie. Es sei schon etwas traurig.
Schwamendingen wird aufgewertet, die Siedlung Grosswiesenstrasse / Glattwiesenstrasse wird abgerissen, eines der drastischsten Beispiele. Gut 150 Mietparteien erhielten die Kündigung, betroffen sind geschätzt 450 Menschen: migrantische Familien, alleinstehende Ältere, Geringverdienende, Sozialhilfeempfänger:innen. Die Besitzerin Zurich Invest AG schreibt auf Anfrage, man baue keine Luxuswohnungen, sondern solche zu marktüblichen Preisen. Doch für die Bewohner:innen bedeutet das: Bleiben unmöglich.
Der Tag, an dem die Frau mit den Blumen sich von ihrem Zuhause verabschiedet, ist der Tag der Deadline, der 30. September. Schutthalden haben sich auf der Gartenanlage gebildet; viele Mieter:innen sind noch dabei, ihre Wohnung zu leeren, Lieferwagen drängen sich auf den Trottoirs.
Vor einem weiteren Eingang erzählt ein Mann, er habe letzten Freitag endlich etwas Neues gefunden – auf zwei Jahre befristet, aber immerhin in der Nähe, sodass seine Kinder nicht die Schule wechseln müssten. Sein Nachbar berichtet in gebrochenem Deutsch: Trotz sicher hundert Bewerbungen habe er keine neue Wohnung bekommen. Obwohl die Verwaltung beteuert, sie habe die Mieter:innen bei der Suche nach neuen Wohnungen unterstützt, sagt der Mann, er habe keine sinnvolle Hilfe erhalten. Nun müsse er mit seiner vierköpfigen Familie in eine Notwohnung: «ein Zimmer». So gehe es auch weiteren Familien.
Vor Ort sind am Dienstag auch mehrere junge Immobilienverwalter:innen – zur Schlüsselabnahme. Sagen wollen sie nichts. «Wir machen hier einfach unsere Arbeit.»
Nachtrag zum Artikel «Schwamendingen: Kein Platz in der Gartenstadt» in WOZ Nr. 21/24.