Leser:innenbriefe

Nr. 41 –

Mit Phrasen kolportiert

«US-Linke: ‹Ich habe richtig Wut auf die Demokratische Partei›», WOZ Nr. 38/24

«Wut auf die Demokratische Partei», Kamala Harris bestenfalls als «kleineres Übel». Die Sicht einer Fraktion der Linken auf die Parteipolitik wird mit Phrasen kolportiert, die man in der WOZ schon x-mal gelesen hat, die aber nur wenig zum Verständnis der politischen Realität beitragen. Zum beliebten Demokraten-Bashing gehört es, dass die «Democrats» einerseits für reale und hart erkämpfte Errungenschaften keinen Kredit bekommen, andererseits für alles Schlechte verantwortlich gemacht werden.

Dabei wird ignoriert, dass sich sehr wohl Linke in der Partei engagieren und erfolgreich Einfluss nehmen. Dass die Partei aber ein breites Mitte-Links-Bündnis ist, das eine Mehrheit der Bevölkerung repräsentiert. Dass die Partei deutlich nach links gerückt ist und Biden und Harris klar progressiver regieren als Obama und Clinton. Dass die Macht der Regierung durchs Parlament (in dem die Demokraten nur selten über Mehrheiten verfügen), durch Gerichte, den Föderalismus und auch durch die prokapitalistische Einstellung der Bevölkerung begrenzt wird.

Die WOZ hebt zu Recht die Bedeutung progressiver Gewerkschaften und Basisbewegungen hervor. Die brauchen aber rechtsstaatliche Verhältnisse, um überhaupt agieren zu können. Während Biden (der übrigens als erster Präsident einen Streikposten besuchte) sich für Arbeitsschutz und Gewerkschaftsrechte einsetzt und progressive Richter:innen nominiert, arbeiten trumpistische Richter:innen an der Aushöhlung des Rechtsstaats und der Einschränkung von politischen und gewerkschaftlichen Rechten.

Bei der Wahl in einem Monat wird sich auch entscheiden, ob es in Zukunft noch eine frei agierende politische Opposition geben wird. Linke ignorieren diese absolut zentrale Weichenstellung der US-Politik auf eigene Gefahr. Immerhin erwähnt die WOZ, dass Biden die Unischulden von Millionen Menschen reduziert habe. Das kommt erst im zweitletzten Absatz und ist das einzige Positive.

Toni Menninger, Bern

Dilemma

«Essay: Unerträgliche Gleichzeitigkeit», WOZ Nr. 40/24

«Hierzulande plötzlich neun Millionen Nahostexpert:innen»? Nein, das Gegenteil ist der Fall: Dem Nachdenken und der Debatte über Gründe der Gewalt und des Krieges in Nahost wird gerade in der Linken aus dem Weg gegangen, man behält seine Meinung für sich, aus Angst, etwas Falsches zu sagen, als Antisemit oder Zionist zu gelten.

Mischa Schiwow, Zürich

Mit dem Essay beschreibt die Redaktorin persönlich empathisch und gleichermassen sachkundig das ständige Dilemma aller, die sich nach einem gerechten Frieden sehnen. Danke für diesen herausragend guten Text! Die Gleichzeitigkeit könnten wir auch Beidseitigkeit nennen oder – angesichts von weltweit laufend mehr eklatant verletztem und bedrohtem Menschen- und Völkerrecht (auch bei uns wieder im Nationalrat!) – leider Vielseitigkeit. Solange wir den menschenrechtlichen Kompass nicht verlieren, bleibt auch die Hoffnung auf eine andere, bessere Welt.

Rolf Zimmermann, Bern

Arbeiten in der 2. Klasse

«Durch den Monat mit Hanny Weissmüller: ‹Warum wollen Sie die erste Klasse nicht abschaffen?›», WOZ Nr. 39/24

Ich schätze die Serie «Durch den Monat mit …», die interessante Einblicke in verschiedenste Themen und Branchen ermöglicht. In der Ausgabe vom 26. September irritiert mich die Begründung der Gewerkschaftsführerin Hanny Weissmüller betreffend die «bedürfnisgerechte» Notwendigkeit der 1. Klasse bei den SBB: «Wenn es nur eine Klasse gäbe, müsste man Abteile einrichten für Leute, die die Zeit im Zug zum Arbeiten benötigen.»

Als langjähriger Pendler erlaube ich mir die Bemerkung, dass wohl die meisten in den Zügen arbeitenden Personen nicht in der 1., sondern in der insbesondere zu Pendelzeiten sehr gut gefüllten 2. Klasse sitzen, meist mit Kopfhörern, um die notwendige Fokussierung zu erreichen … weil sich ein:e Normalverdiener:in ein nicht stark vergünstigtes GA 1. Klasse kaum leisten will/kann. Das nächste Mal bitte ein nachvollziehbares Argument – und sich einsetzen für etwas mehr 2.-Klass-Wagen in den Zugkompositionen.

Markus Staub, per E-Mail