Was weiter geschah: Wie viel CO₂ darf die Schweiz noch ausstossen?

Nr. 41 –

Genau ein halbes Jahr ist es her, seit der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) urteilte, die Schweiz verletze mit ihrer unzulänglichen Klimapolitik Menschenrechte. Er ging damit auf eine Klage der Klimaseniorinnen ein.

Vergangene Woche legte nun der Bundesrat dem Ministerkomitee des Europarats, der die Umsetzung der Urteile überwacht, fristgerecht einen Aktionsplan vor. Damit müssen betroffene Staaten jeweils aufzeigen, wie sie die EGMR-Urteile umsetzen. Wenig überraschend kommt das federführende Bundesamt für Justiz im Aktionsplan der Schweiz zum Schluss, es gebe nichts mehr zu tun. Insbesondere mit dem revidierten CO₂-Gesetz sowie dem Bundesgesetz über eine sichere Stromversorgung mit erneuerbaren Energien sieht es die klimapolitischen Anforderungen des Urteils erfüllt.

Und das CO₂-Restbudget? Dieses dient der Berechnung, wie viel CO₂ die Schweiz gemäss dem ihr global zustehenden Anteil noch ausstossen dürfte, um die Klimaerwärmung bis 2100 auf 1,5 Grad zu beschränken. Der EGMR forderte in seinem Urteil explizit ein Budget, um feststellen zu können, ob die Schweizer Massnahmen für den Klimaschutz genügen. Im Aktionsplan wird ein solches nun erstmals kommuniziert: 660 Millionen Tonnen. So viel Treibhausgase sollen der Schweiz bis 2050 gemäss Bund noch zur Verfügung stehen.

Das ist doppelt so viel, wie laut Greenpeace emittiert werden dürfte, um die 1,5-Grad-Grenze nicht zu überschreiten: Zwei Wissenschaftler der ETH ermittelten im Auftrag der NGO ebenfalls, wie viel CO₂ die Schweiz noch emittieren dürfte. Wichtig ist unter anderem die Bemessung des fairen Anteils der Schweiz. Dabei spielt eine Rolle, ob man davon ausgeht, dass die Schweizer Bevölkerung pro Kopf gleich viele CO₂-Emissionen «zugute» hat wie Länder, die in der Vergangenheit viel weniger emittierten, oder eben nicht. Selbst bei konservativer, also eigentlich unfairer Schätzung hat die Schweiz ihr CO₂-Restbudget laut Greenpeace spätestens 2032 aufgebraucht. Die NGO wird ihre Berechnungen dem Ministerkomitee zur Verfügung stellen.

Nachtrag zu den Artikeln «Ein Zwischenhalt in Strassburg» in WOZ Nr. 15/24 und «Die grosse Vorführung» in WOZ Nr. 14/23.