Ausstellung: Familienpolitik im Visier

Nr. 42 –

nächtliche Aufnahme eines Gebäudes
«Der Elefant ist der Raum». Zürich, gta Ausstellungen, ETH Hönggerberg. Mo–Fr, 10–18 Uhr. Bis am 1. November 2024.

Wer in den Zürcher Hauptbahnhof einfährt, bemerkt sie vielleicht: vier graue Baracken, die am Kohlendreieck neben den Gleisen stehen. Es sind «Junggesellenheime», die die SBB 1965 für sogenannte Gastarbeiter bauen liess. Sie zeugen von einer Zeit, als jedes Jahr Tausende Arbeiter:innen mit Kurzaufenthaltsbewilligungen in die Schweiz einreisten. Ihre Familien liessen sie gezwungenermassen zurück.

Die Baracken sind nur eins von vielen Schnipseln, aus denen sich die Ausstellung «Der Elefant ist der Raum» an der ETH Zürich zusammensetzt. Anhand einer Fülle von Text-, Ton- und Bildmaterial erkundet sie die Geschichte des Bundesgesetzes über Aufenthalt und Niederlassung der Ausländer (Anag), das von 1934 bis 2002 in Kraft war. Im Anag enthalten war das Saisonnierstatut, auf dessen Grundlage die Familien von Fremdarbeiter:innen illegalisiert wurden (siehe WOZ Nr. 9/24). In der Ausstellung stehen allerdings nicht die Realitäten einzelner Betroffener, sondern der Diskurs um die «Überfremdung» im Zentrum: Das Gesetz wird als Teil einer biologistischen Familienpolitik kontextualisiert.

In den Vorarbeiten zum Anag wurde immer wieder der Begriff der Eugenik verwendet. Diesem spürt die Autorin Melinda Nadj Abonji nach: In einer Audioinstallation deckt sie Wissensnetzwerke auf, in denen sich die Architekten des Gesetzes neben Eugenikern wie Manfred Bleuler oder Eugen Bircher bewegten. Eindrücklich ist auch eine Weisung an die Schweizer Grenzsanität von 1949: Wurde bei einer Arbeiterin eine Schwangerschaft festgestellt, musste unverzüglich der Arbeitgeber kontaktiert werden. Ohne dessen Einwilligung sei sie «von der Einreise abzuhalten». Heute sind es Menschen mit F-Ausweis, denen der Familiennachzug systematisch erschwert wird.

Szenografisch wirkt die Ausstellung etwas selbstgebastelt, viele Bezüge müssen die Besucher:innen selbst erarbeiten. Gerade deshalb lässt sich bei genauem Hinschauen aber allerlei entdecken. Zum Beispiel die Baracken bei den Gleisen. Dort leben noch immer Angestellte von Zeitarbeitsfirmen – in Einzelzimmern, von ihren Familien getrennt.