Film: Zwischen den Wellen

Wann ist eine Party vorbei? Trotz Kompass, den sie um den Hals trägt, findet Rona (Saoirse Ronan) den Ausgang nicht. Sie stürzt ab, macht einen Entzug, zieht aus London weg und kehrt nach Hause zurück, auf die schottischen Orkney-Inseln.
«Regelmässiger Alkoholkonsum sorgt für tiefgreifende Veränderungen unserer Nervenbahnen, die nicht mehr umkehrbar sind», als studierte Biologin weiss Rona all das. Doch wie gehts weiter, nach dem Entzug? Wer ist sie ohne Alkohol – und kann sie so glücklich sein? Zwischen Mutters Bibelgruppe und dem bipolaren Vater versucht sie, nüchtern zu bleiben. 30, 90, 117 Tage zählt Rona auf der elterlichen Schaffarm auf der verschlafenen Insel. Es werde einfacher, verspricht man ihr. Einfach aber wird es nie. Inmitten wilder Natur wird Rona erfasst von Erinnerungen an eine Zeit vor dem Entzug. Die Rückblenden, in denen Regisseurin Nora Fingscheidt («Systemsprenger») ihre Heldin im rauschenden Londoner Nachtleben zeigt, sind zuerst noch nostalgisch gefärbt. Doch bald werden die Szenen grauer und schmerzhafter, Rona versinkt tiefer in der Sucht. Auf den Orkneys bleibt sie 117 Tage nüchtern, bevor sie rückfällig wird.
«The Outrun» beruht auf dem autobiografischen Buch von Amy Liptrot (auf Deutsch: «Nachtlichter») und verknüpft die Sucht mit Mythologie. An Land droht Rona im Alkohol zu ertrinken, doch wer ertrinkt, wird einer Orkney-Legende nach zum Robbenmenschen. Diese sogenannten Selkies lassen sich nachts an Land spülen, tanzen in Menschengestalt im Mondschein, um bei Sonnenaufgang schnell zwischen den Wellen zu verschwinden. Es sei denn, sie werden gesehen – dann sind sie dazu verdammt, ein Leben an Land zu führen. Wie eine Selkie sucht Rona nach durchzechten Nächten in der Grossstadt verzweifelt einen Weg zurück ins Wasser. Schafft sie es, mitten in einer tosenden Sinfonie aus Wind und Wellen, sich mit den Elementen zu versöhnen und so mit sich selbst ins Reine zu kommen?