Auf allen Kanälen: Maulkorb für Medien

Nr. 49 –

Mit zunehmend repressiven Gesetzen will die israelische Regierung die Pressefreiheit im Land weiter einschränken.

stilisiertes Logo der Zeitung Haaretz

Die israelische Regierung beabsichtigt, den öffentlich-rechtlichen Radio- und Fernsehsender KAN binnen zweier Jahre entweder zu privatisieren oder zu verstaatlichen. Der Gesetzesvorschlag von vergangener Woche ist ein weiterer Schritt zur Einschränkung der Medienlandschaft. Von einem «Mediencoup unter dem Deckmantel des Krieges» schrieben die meistgesehenen privaten Nachrichtensender Kanal 12 und Kanal 13 in einer Stellungnahme zur Unterstützung von KAN vergangene Woche. «Verkleidet in schöne Worte wie ‹Diversität› und ‹Meinungsvielfalt›, treibt Kommunikationsminister Shlomo Karhi eine Reihe drakonischer Gesetze voran, die letztlich die Schliessung von israelischen Medien bedeuten.» Die Regierung wolle «jeden einschüchtern, der es wagt, sie zu kritisieren».

Regierung boykottiert «Haaretz»

Gegen eine der lautesten kritischen Stimmen, die Tageszeitung «Haaretz», ging Karhi bereits am 24. November vor: Vertreter:innen von Regierungsstellen soll es künftig verboten sein, mit der Zeitung zu kommunizieren oder dort Anzeigen zu schalten. Die Redaktion der ältesten Tageszeitung des Landes veröffentlicht neben der hebräischen auch eine international angesehene englischsprachige Ausgabe und prägt mit ihren Analysen und Recherchen Debatten weit über Israel hinaus. Die Zeitung kritisiert nicht nur Regierungschef Benjamin Netanjahu und seine rechtsnationalistische Regierung scharf. Sie richtet den Blick auch konsequent immer wieder auf das Leid der palästinensischen Bevölkerung.

Seit Kriegsbeginn hat «Haaretz» eine Reihe von Recherchen über das Fehlverhalten hochrangiger Regierungsbeamter und Armeeangehöriger veröffentlicht und sich in Kommentaren und Leitartikeln regelmässig für einen Waffenstillstand zur Befreiung der noch immer in Gaza gefangenen israelischen Geiseln ausgesprochen.

«Wir befürworten eine freie Presse und Meinungsfreiheit, aber auch die Freiheit der Regierung, Aufhetzung gegen den Staat Israel nicht zu finanzieren», so der Kommunikationsminister. Als konkreten Anlass für den Boykott führte er Äusserungen des «Haaretz»-Herausgebers Amos Schocken an. Dieser hatte bei einer Konferenz in London im Oktober mit Blick auf völkerrechtswidrige israelische Siedlungen im besetzten Westjordanland gesagt: «[Die israelische Regierung] ignoriert den Preis der Verteidigung der Siedlungen für beide Seiten, während sie palästinensische Freiheitskämpfer bekämpft, die Israel Terroristen nennt.» Später stellte Schocken klar, dass er sich dabei nicht auf die Hamas beziehen wollte. «Haaretz» selbst veröffentlichte als Reaktion einen Leitartikel mit dem Titel «Terroristen sind keine Freiheitskämpfer».

Karhi dürften die Details aber kaum interessieren: Er hatte bereits 2023 einen Boykott gefordert und der Zeitung die Verbreitung «defätistischer und falscher Propaganda während eines Krieges» vorgeworfen.

«Wir werden uns nicht einschüchtern lassen», schrieb die stellvertretende «Haaretz»-Chefredaktorin Noa Landau auf X. Die Zeitung wirft der Regierung vor, der Boykott sei «ein weiterer Schritt auf Netanjahus Weg, die israelische Demokratie zu zerstören». Die aktuelle Regierung hatte bereits kurz nach ihrem Amtsantritt Ende 2022 zu einem einschneidenden Umbau des Justizsystems und einer Schwächung des Obersten Gerichts angesetzt. Nach monatelangen Massenprotesten und dem Überfall der Hamas im Oktober 2023 wurde das Vorhaben zurückgestellt. Seit einigen Monaten aber drängen Justizminister Jariv Levin und andere darauf, die Umstrukturierung der Gewaltenteilung wiederaufzunehmen.

Noch mehr Kontrolle

Die israelische Journalist:innengewerkschaft warnte, die angedachten Privatisierungen, von denen auch das Armeeradio Galei Zahal, einer der wichtigsten Radiosender des Landes, betroffen sein könnte, würden «die Meinungsfreiheit und die Demokratie» bedrohen. Sollten die Vorschläge umgesetzt werden, verschwänden Israels wichtigste TV- und Radiosender, die nicht in privater Hand lägen. Bereits jetzt werden weiter gehende Vorschläge verhandelt, die der Regierung mehr Kontrolle über das Budget des öffentlich-rechtlichen Rundfunks sowie über die Erhebung von Einschaltquoten geben.

Der Pressefreiheit in Israel dürften diese Schritte weiter schaden. Das Land liegt im globalen Index von Reporter ohne Grenzen bereits heute auf Platz 101 von 180.