Was weiter geschah: Jenische warten auf eine Antwort

Nr. 51 –

«Wann gedenkt der Bundesrat, das Gutachten zu veröffentlichen?» Dies ist eine von sieben Fragen, die die grüne Nationalrätin Katharina Prelicz-Huber in ihrer vor ein paar Tagen eingereichten Interpellation stellt. Die Fragen beziehen sich auf das juristische Gutachten, das das Bundesamt für Kultur (BAK) vergangenen März beim Zürcher Völker- und Staatsrechtsprofessor Oliver Diggelmann in Auftrag gegeben hatte. Dieses soll klären, ob die Schweiz im Zusammenhang mit dem sogenannten Hilfswerk «Kinder der Landstrasse» einen kulturellen Genozid verantwortet. Das 1926 von der Pro Juventute gegründete «Hilfswerk» war bis 1973 aktiv und nahm Kinder von Jenischen und Sinti ihren Familien weg, mit dem Ziel, deren Kultur auszulöschen.

Obwohl das Gutachten seit längerem dem BAK vorliegt, hat sich der Bundesrat noch nicht dazu geäussert. «Es geht nicht an, dass man einen Bericht hat und diesen einfach nicht veröffentlicht», sagt Prelicz-Huber. «Es gibt Leute, die das Recht haben, zu erfahren, was drinsteht.» Tatsächlich stehen die Betroffenen einmal mehr vor der demütigenden Situation, dass ihnen die Behörde Informationen vorenthält, die für sie relevant sind. Dies, obwohl Mitglieder der Union der Vereine und der Vertreter der Schweizer Nomaden an der Forschungsfrage mitarbeiten konnten und erwartet hatten, das Gutachten gleichzeitig wie das BAK zu erhalten – was nicht der Fall war.

«Wenn das Gutachten auch nur ansatzweise den Genozid bestätigt, ist das natürlich ein dunkler Fleck in der Schweizer Geschichte», so Prelicz-Huber. Umso wichtiger sei es, genau hinzuschauen, wie der Bundesrat Stellung beziehe. So lautet denn auch die letzte der sieben Fragen: «Was sind die Konsequenzen, die der Bundesrat aus dem Gutachten zieht, und welche Massnahmen gedenkt er einzuleiten?» Der Bundesrat hat nun ein halbes Jahr Zeit, diese Fragen zu beantworten. Zu wünschen wäre, dass er sich – wie ursprünglich kommuniziert – noch Ende dieses oder Anfang nächstes Jahr zum Bericht äussert.

Nachtrag zum Artikel «Verfolgung der Jenischen: Beschönigt und verleugnet» in WOZ Nr. 45/24.