Syriens Aussenpolitik: Begehrte neue Partner

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Der Machtwechsel in Damaskus sorgt für Bewegung im regionalpolitischen Gefüge. Es geht um Einfluss, ums Geschäft – und um den Iran.

Wenige Wochen nach dem Sturz des Assad-Regimes setzt Syriens Übergangsregierung unter Ahmed al-Scharaa, dem Anführer der Miliz Haiat Tahrir al-Scham (HTS), deutliche aussenpolitische Zeichen. Auf einer ersten Auslandsreise hat der neue Aussenminister Assaad al-Schibani Anfang Januar Saudi-Arabien besucht: Das Königreich, so viel ist jetzt schon klar, wird beim Wiederaufbau Syriens eine wichtige Rolle spielen. Bereits im Kampf gegen die Regierungstruppen von Baschar al-Assad hat die HTS von Saudi-Arabien Unterstützung erhalten, während dessen Erzfeind Iran dem nun gestürzten Diktator massgeblich geholfen hat.

Auch aus ideologischer Perspektive ergibt es für die islamistische Miliz Sinn, sich zuerst an die konservative Monarchie zu wenden. Vor allem aber ist das saudische Königreich die grösste Volkswirtschaft des Nahen Ostens, ein wichtiger Wirtschaftspartner für westliche Länder – und ein regionalpolitisches Schwergewicht.

Komplizierte Beziehungen

Schibanis Besuch in der saudischen Hauptstadt Riad signalisiert unter anderem, dass europäische Partner:innen für die neuen Machthaber nicht an erster Stelle stehen werden. Viel zentraler sind die regionalen Nachbarn und die USA. Dies wurde auch beim Besuch der deutschen Aussenministerin Annalena Baerbock und ihres französischen Amtskollegen Jean-Noël Barrot vergangene Woche in Damaskus deutlich. Die europäische Delegation kam ohne Fahrplan zur Unterstützung; stattdessen brachte sie Mahnungen bezüglich der Einhaltung der Menschenrechte. Baerbock etwa machte EU-Hilfen von der Einhaltung von Frauenrechten abhängig. Die Übergangsregierung hat offensichtlich andere Prioritäten. Es liegt auf der Hand, dass ein Wiederaufbau nach dreizehn Jahren Bürgerkrieg nur gelingen kann, wenn die internationalen Sanktionen gegen das Land aufgehoben werden und die Staaten in der unmittelbaren Nachbarschaft ihre Unterstützung anbieten. Syrien schaffe «grosse Investitionsgelegenheiten für alle Nachbarländer», hatte Scharaa in einem Interview gesagt.

Die Beziehungen des Assad-Regimes zu seinen Nachbarn waren kompliziert. Ein Grossteil dieser Staaten unterstützte verschiedene oppositionelle Gruppen in Syrien, viele hatten den Kontakt zum Diktator eingefroren. Auch Saudi-Arabien hatte seine Beziehungen abgebrochen und syrische Rebellen unterstützt – wie die meisten anderen Staaten der Arabischen Liga, die Syrien 2011 aus ihrem Bündnis warf.

Als sich auch nach Jahren kein Ende des Konflikts abzeichnete, nahm die Arabische Liga Syrien 2023 wieder auf. Das Tauwetter widerspiegelte den dringlichen Wunsch nach arabischer Einheit – man wollte den wachsenden Einfluss des Iran in Syrien und weiteren Staaten im Nahen Osten eindämmen. Jahrzehntelang war Syrien unter den Assads der engste arabische Verbündete des Iran in der Region. Die reichen Golfmonarchien hingegen befanden sich in einem Wettstreit um Macht und Einfluss mit dem Regime in Teheran. Mit dem Sturz des eng mit dem Iran verbündeten Assad bietet sich den arabischen Staaten die Chance, das Vakuum zu füllen und Beziehungen zur neuen Regierung in Damaskus aufzubauen. Sie wollen diese offensichtlich nicht ungenutzt lassen.

Allerhand Abhängigkeiten

So war die Regierung Saudi-Arabiens bei weitem nicht die einzige, die umgehend auf die neuen Machthaber in Syrien zuging. Kaum war Assad am 8. Dezember geflohen, reiste der kuwaitische Aussenminister Abdullah al-Jahia nach Damaskus. Dort wurde er von Amtskollege Schibani dazu eingeladen, wieder eine Botschaft in der syrischen Hauptstadt zu eröffnen. Begleitet wurde Jahia bei seinem Besuch von Jassim al-Budaiwi, dem Generalsekretär des Golfkooperationsrats, einem wirtschafts- und sicherheitspolitischen Zusammenschluss fast aller Staaten auf der Arabischen Halbinsel.

Und Katar, das seine Beziehungen zu Syrien ebenfalls abgebrochen hatte, kündigte die Wiedereröffnung seiner Botschaft in Damaskus an. Noch im vergangenen Jahr hat Tamim bin Hamad al-Thani, Staatsoberhaupt von Katar, das Gipfeltreffen der Arabischen Liga im saudischen Dschidda demonstrativ verlassen, bevor Assad eine Rede hielt. Während des Krieges in Syrien hat Katar die HTS unterstützt, die Rehabilitierung Assads durch den arabischen Staatenbund hatte es abgelehnt.

Syriens neue Machthaber stehen unter immensem Druck, sie sind dringend auf Geld und gute Kontakte angewiesen. Entsprechend bemühen sie sich ganz besonders um Investitionen aus Nachbarländern und um eine Aufhebung der Sanktionen, die von europäischer und US-amerikanischer Seite gegen das Assad-Regime verhängt wurden. Noch kurz vor dem Sturz Assads haben die USA, ein enger Partner der Saudis, die Sanktionen verlängert. Am Montag kündigten sie an, sie vorläufig zu lockern. Aber Syrien bleibt abhängig von Öl- und Treibstofflieferungen aus dem Iran. Für die neuen Machthaber ist das ein unhaltbarer Zustand – nicht zuletzt deshalb, weil der Iran aufgrund internationaler Sanktionen selbst unter einer anhaltenden Ölkrise leidet. Auch aus energiepolitischen Gründen ist die Übergangsregierung in Damaskus deshalb darum bemüht, sich mit neuen Regionalpartnern zu verbünden.