Umweltverantwortungsinitiative: «Wenn wir nichts tun, wird es teuer»
Die Initiative der Jungen Grünen, die im Februar an die Urne kommt, hat ein einfaches Anliegen: Die Wirtschaft soll ihre eigenen Grundlagen nicht gefährden.
Wie müssen wir Wirtschaft und Gesellschaft organisieren, damit unsere natürlichen Lebensgrundlagen erhalten bleiben? Diese Frage steht im Zentrum der Umweltverantwortungsinitiative der Jungen Grünen, über die die Schweizer Stimmbevölkerung am 9. Februar befindet.
Die Initiative verlangt, dass die Schweiz die Belastungsgrenzen der Erde respektiert. «Es geht um einen selbstverständlichen Grundsatz», sagt Magdalena Erni, Kopräsidentin der Jungen Grünen. «Nicht mehr verbrauchen, als uns zur Verfügung steht.» Dafür sieht die Initiative eine Übergangsfrist von zehn Jahren vor. In diesem Zeitraum müssen die nötigen wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Anpassungen vorgenommen werden. Der Initiativtext sei bewusst offen formuliert, so Erni. So könne das Parlament die Gesetze möglichst frei ausarbeiten – denn das Anliegen sei vielschichtig: «Wir stehen nicht nur der Klimakrise, sondern multiplen Umweltkrisen gegenüber.»
Das BIP ist nicht alles
Um dieser Herausforderung zu begegnen, bezieht sich die Initiative auf das Konzept der planetaren Grenzen. Dieses wurde 2009 von 29 Erdsystem- und Umweltwissenschaftler:innen entwickelt, darunter auch Nobelpreisträger Paul J. Crutzen. Das Konzept definiert die Belastbarkeit der Erde und damit den Handlungsspielraum der Menschheit. Dafür wurden Grenzwerte für neun verschiedene Umweltbereiche bestimmt. Werden diese überschritten, droht das Ökosystem der Erde zu kollabieren, und das menschliche Leben auf dem Planeten ist gefährdet. Die Schweiz hat sechs dieser Grenzen bereits übertreten oder steht kurz davor: etwa beim Klima, beim Verlust der biologischen Vielfalt oder bei der Überdüngung durch Stickstoff.
Politisch helfe das Konzept der planetaren Grenzen, mit Zielkonflikten umzugehen, sagt Erni. «Es bringt zum Beispiel wenig, wenn wir alle Täler mit Staumauern zubauen, um erneuerbare Energie zu produzieren, aber damit einen Verlust der Biodiversität bewirken.»
Das Initiativkomitee fordert einen ökologischen Wandel von Wirtschaft und Gesellschaft. «Die Politik sollte beispielsweise davon wegkommen, jede wirtschaftliche Massnahme danach zu beurteilen, ob sie das Bruttoinlandprodukt steigert», sagt die grüne St. Galler Nationalrätin Franziska Ryser, die dem Wissenschaftskomitee angehört, das die Initiative unterstützt. «Das BIP bildet keine Umweltauswirkungen und keine Verteilung des Wohlstands ab. Vom BIP-Wachstum profitieren heute nur noch wenige. Wir brauchen aber eine Wirtschaft, die die natürlichen Lebensgrundlagen respektiert und uns allen zugutekommt.»
Bundesrat und Parlament lehnen die Initiative ab. Breite Unterstützung erhielt sie in National- und Ständerat von den Grünen, der SP und einem Teil der EVP. Mitte-Rechts sprach sich vehement dagegen aus. Ein direkter Gegenvorschlag, der auf die Umsetzungsfrist von zehn Jahren verzichtet hätte, wurde abgelehnt.
Seine Partei unterstütze die Initiative unter anderem, weil sie soziale Gerechtigkeit fordere, sagt der Luzerner SP-Nationalrat Hasan Candan. «Im Moment profitieren Einzelne von der Ausbeutung der natürlichen Ressourcen. Die Auswirkungen der Umweltzerstörung werden aber auf dem Buckel der Allgemeinheit ausgetragen. Das ist ungerecht.» Wenn wir nichts unternähmen, würden wir bis 2050 rund ein Viertel des BIP für die Reparatur von Umweltschäden aufwenden, sagt Candan. «Wir müssen unsere Wirtschaft jetzt fit für die Zukunft machen. Nur mit der Natur können wir weiterhin unseren Wohlstand sichern.»
Strassburger Urteil wirkt nach
Im Parlament löste die Vorlage eine hitzige Debatte aus. Die Gegner:innen stützten sich auf zwei Hauptargumente: Sie warnten vor Wohlstandsverlust und stellten die wissenschaftliche Grundlage der Initiative infrage. Die grosse bürgerliche Empörung habe einen Zusammenhang mit dem Urteil des Gerichtshofs für Menschenrechte in Strassburg zugunsten der Klimaseniorinnen, sagt Ryser. «Das Urteil zeigte klar auf, dass die Umweltpolitik in der Schweiz ungenügend ist und nachgebessert werden muss.»
Die Äusserungen des Aargauer SVP-Nationalrats Andreas Glarner während der Parlamentsdebatte bestätigen Rysers Eindruck: Hinter der Initiative stünden auch «linksextreme Organisationen», meinte er und nannte in diesem Zusammenhang die «von Greenpeace gesponserten Klimaseniorinnen». Das Konzept der planetaren Grenzen klinge, als habe es sich «irgendein Schülerparlament» ausgedacht.
Für Magdalena Erni von den Jungen Grünen ist klar: Eine Mehrheit im Parlament wolle sich nicht vertieft damit auseinandersetzen, dass die Schweizer Wirtschaft viel zu viele Ressourcen verbrauche. «Die Ablehnung des Gegenvorschlags zeigt, dass es nie um die Frist von zehn Jahren ging, sondern darum, den Status quo nicht verändern zu wollen.» Im Moment sei es bequem, nichts infrage zu stellen. Doch das werde nicht so bleiben. Wie Candan weist auch Erni darauf hin, dass Nichtstun teuer werde. Er nennt eine Studie der ETH Lausanne, die besagt, dass die Schäden einer ungebremsten Klimaerhitzung die Schweiz künftig rund zehn Milliarden Franken pro Jahr kosten könnten.