Autobahnabstimmung: Die Sonne ist eine Orange
Vermutlich halten mehr Schweizer Stimmbürger:innen die Erde für eine Scheibe oder die Sonne für eine Orange als wegen «der Zuwanderung» gegen den Autobahnausbau waren. 3113 Personen hat das Meinungsforschungsinstitut GfS Bern für seine letzte Woche veröffentlichte Abstimmungsanalyse befragt. Gerade mal zwei nannten die Migration als Grund für die Ablehnung des Milliardenprojekts.
Die Erhebung steht in scharfem Kontrast zur medialen Analyse der Abstimmung, in der die Kritik an der Zuwanderung als Hauptursache für das Nein eruiert worden war. Beispielhaft die «Basler Zeitung», die mit Blick auf den mit dem Gesamtpaket abgelehnten Autobahntunnel unter dem Rhein titelte: «Das Nein zum Tunnel ist auch ein Nein zur Zuwanderung». Weiter weg von der Wirklichkeit kann man kaum sein. Das Nein zum Tunnel, das belegt die GfS-Analyse, war ein Ja zum Umweltschutz und ein Nein zum Mehrverkehr.
Noch selten zeigte sich so klar, wie viele Schweizer Medien im Kielwasser der SVP unterwegs sind und sich deren Deutung der politischen Entwicklungen zu eigen gemacht haben. Hinter jedem Wellenschlag der Stimmbevölkerung wird die Sorge vor der Zuwanderung vermutet, oder sanfter formuliert: eine Wachstumskritik. So war es auch schon nach der Abstimmung zur 13. AHV-Rente. Dass sich eine Mehrheit für einen Ausbau der sozialen Absicherung gewinnen lässt oder sich Sorgen um den Zustand von Klima und Umwelt macht, scheint auf vielen Redaktionen undenkbar.
Das aggressive Lobbying der SVP zeigt Wirkung. Nach der Autobahnabstimmung war das Spitzenpersonal von Magdalena Martullo-Blocher über Benjamin Giezendanner bis zu Céline Amaudruz unterwegs, um das Resultat in die gewünschte Richtung zu erklären. Alle erzählten die gleiche Geschichte, ohne viel Widerspruch zu erfahren: Sie hätten im Volk nachgefragt und zu hören bekommen, die Schweiz solle die Zuwanderung stoppen, anstatt die Infrastruktur auszubauen. Wahrscheinlich, das legt jedenfalls die GfS-Analyse nahe, riefen alle SVPler:innen bei denselben zwei Personen an.