Kost und Logis: Alle halten sich die Ohren zu
Ruth Wysseier über Regierungsunlust

Gegen Panik hilft mir normalerweise tiefes Durchatmen, genaues Hinschauen und Sachlichkeit. Grund zur Panik gibt es dauernd, diesmal ist es die Vorstellung, dass Bauernpräsident Markus Ritter aus St. Gallen mangels Alternativen in den Bundesrat gewählt wird. Reihenweise sagen angefragte Mitglieder der Mitte-Partei ab. Vielleicht ist das ja gut so, denn wie lautet ein kluges Zitat fast? «In Gefahr und grösster Not bringt der Mitte-Weg den Tod.»
Das Vaterland ruft, und alle halten sich die Ohren zu. Niemand will seine Komfortzone verlassen, um im Kriegsministerium verheizt zu werden. Niemand? Stimmt nicht, man hat bisher einfach die falschen Leute gefragt. Dabei ist die Auswahl in Wahrheit riesig, wie ich nach dreissig Sekunden Recherche im Portal der Schweizer Regierung lerne:
«In den Bundesrat gewählt werden kann jede stimmberechtigte Schweizerin und jeder stimmberechtigte Schweizer. Eine vorgängige Kandidatur ist ebenso wenig erforderlich wie eine Mitgliedschaft im Parlament. Bei der Wahl muss die Bundesversammlung darauf achten, dass die Regionen und die Sprachgemeinschaften angemessen vertreten sind. Genauere Regeln gibt es dazu keine.»
Also hier sind meine Vorschläge:
- Schauspielerin Mona Petri. Als Enkelin von Anne-Marie Blanc, die in der Rolle der patriotischen Kultfigur Gilberte de Courgenay brillierte, könnte sie jederzeit das Feuer der geistigen Landesverteidigung neu entfachen.
- WOZ-Redaktor Roman Schürmann, Verfasser des Standardwerks «Helvetische Jäger. Dramen und Skandale am Militärhimmel». Hat genaustens analysiert, warum in den letzten hundert Jahren so vieles schieflief bei den Flugzeugbeschaffungen. Würde es garantiert besser machen.
- Skirennfahrerin Lara Gut-Behrami. Sie kann selbst bei Tempo 130 Waffen präzise ins Ziel lenken. (Zitat Sofia Goggia: «Wir haben keine Ski, wir haben Waffen.»)
- Regisseurin Sabine Boss. Mit ihrem Film «Ernstfall in Havanna» hat sie bewiesen, dass sie ein feines Gespür für die Deeskalation internationaler diplomatischer Krisen hat.
- Historiker Jo Lang. Der grüne Zuger Exnationalrat analysiert in seinem 2020 erschienenen Buch «Demokratie in der Schweiz», was Demokratie heute ausmacht. Als GSoA-Mitbegründer hat sich der Pazifist um eine kritische Armeebetrachtung verdient gemacht.
- Klimaseniorin Rosmarie Wydler-Wälti. Sie kann dem Ratsgremium klarmachen, dass Klimaschutz ein Menschenrecht ist – und was dringend getan werden muss.
- Hauptmann und Filmemacher Luca Popadić. In seinem Dokumentarfilm «Echte Schweizer» kritisiert der Badener Secondo mit serbischen Wurzeln die Schweizer Armee, sagt aber auch, er würde sein Leben für die Schweiz geben.
Diese Aufzählung ist nicht abschliessend gemeint. Weitere Nominationen (an briefe@woz.ch) sind willkommen.
Ruth Wysseier ist Winzerin am Bielersee.