Leser:innenbriefe

Reich und rechts
«Kommentar: Jetzt erst recht!», WOZ Nr. 10/25
Ich bin am Satz «Wenn nun die rechten Männer an der Macht die Krisen und Kriege immer weiter eskalieren …» hängen geblieben. Ich habe ihn intuitiv als «Wenn nun die reichen Männer an der Macht …» gelesen. Mir scheint, der engagierte feministische Kommentar greift etwas zu kurz. Erst die ökonomisch unbegrenzten Möglichkeiten der machtaffinen Männer macht das möglich, was wir zurzeit erleben. Sie können das! Es geht weniger um «rechte Männer», sondern um Männer, die die Mittel (Macht) haben, ihr Verständnis von Welt um- und durchzusetzen.
Nach dem Mauerfall wurde die soziale Marktwirtschaft obsolet. Steuerliche und andere Umverteilungsmechanismen erodierten. Nun haben wir wenige irrsinnig(e) Vermögende, die die Realität nach ihrem Gusto formen möchten. Wie mittelalterliche Könige tun sie alles dafür, ihre Machtutopien umzusetzen und dafür bewundert zu werden. Neben dem Schaffen von feministischen Seilschaften und solidarischen Gegenrealitäten sollten wir uns daher ebenso entschlossen für einen strukturell verankerten, starken gesellschaftlichen Ausgleich der ökonomischen Möglichkeiten einsetzen.
Markus Staub, per E-Mail
Müssen wir mitmachen?
«Künstliche Intelligenz: Unter Zugzwang», WOZ Nr. 10/25
Besten Dank für den interessanten Artikel über die wuchtigen Dynamiken bezüglich KI. Der Umfang der in den USA und in Europa in Aussicht gestellten Gelder ist absolut wahnwitzig. Geldmengen, die eher in kriegerischen Situationen freigemacht werden. So werden diese Gelder wohl auch verstanden: ein blindwütiges Wettrüsten, das von denen, die am meisten davon profitieren (in politischer, ökonomischer Hinsicht oder in Form von persönlichen Karrieren), als alternativlos dargestellt wird.
Im Artikel werden zwar kritische Stimmen laut, aber die meisten dieser Stimmen kommen doch irgendwie aus dem erweiterten KI-Kuchen. Auch wenn da und dort Vorbehalte angebracht werden: Eine grundsätzliche Opposition gegen diese Entwicklung ist nicht auszumachen. Obwohl wir mittlerweile – leider – mehr als genug «Anschauungsevidenz» haben für all die verheerenden negativen Effekte, die Technologien hervorbringen können, wenn sie hastig und umfangreich angewendet werden.
«Stell dir vor, es ist Krieg, und keiner geht hin.» Könnten uns diese bekannten Worte nicht auch hier einen Weg zu einer anderen Einstellung der KI gegenüber weisen? Warum genau «müssen» wir mitmachen? Was sind die Konsequenzen, wenn wir uns nicht an diesem Wahn beteiligen mit all seinen voraussehbaren ökologischen und sozialen Katastrophen? Ist es wirklich so klar, dass die Nachteile einer Abstinenz grösser sind als die des Mitmachens? Wir sollten diese Frage wenigstens diskutieren und nicht vorneweg als geklärt anschauen.
James Heim, per E-Mail
Das Schweigen der Lämmer
«Was macht die Schweiz? Das Kreuz mit der Neutralität», WOZ Nr. 10/25
Die von der US-Regierung herbeigeführte Disruption der Weltordnung führte in Bundesbern zu einem beredten Schweigen. Bundespräsidentin Karin Keller-Sutter präsentierte völlig emotionslos einige schöne Allgemeinplätze, ohne jede Kritik an der infamen Vorgehensweise von Donald Trump und J. D. Vance vorzubringen. Es scheint, dass in Bern das Inakzeptable akzeptabel geworden ist.
Immer wieder versteckt sich die Schweiz hinter einem ausgehöhlten Begriff der Neutralität, der längst heuchlerisch wirkt. Die «Neutralitätsinitiative» der SVP hofiert einzig Wladimir Putin und seine neofaschistischen Kumpanen. Keine Stellung beziehen und mit allen Geschäfte machen: das Sowohl-als-auch als Staatsräson. Vizepräsident Vance nennt unterdessen Professoren «Feinde», und ein Teil der SVP, die seit je Akademiker als «Professörchen» verunglimpft hat, reibt sich dabei die Hände. Dass die SVP nun auch den Ausstieg aus dem Pariser Klimaabkommen und der WHO fordert, ist nur folgerichtig bei der Demontage der aufklärerischen Errungenschaften der Moderne.
Der Bundesrat hat die Wahl: Entweder bezieht er endlich klar Stellung, oder er verliert seine Glaubwürdigkeit und seine Würde.
Thomas Brunnschweiler, Breitenbach SO