Walter Frey an der Uni Zürich: Akademische Autoliebe
Der grösste Autoimporteur des Landes sponsert ein Forschungszentrum an der Universität Zürich. Es ist nicht die einzige Hochschule, in die sich die Autolobby gerade einkauft.

Wer mehr über Walter Frey, 81 Jahre alt, SVP-Financier und grösster Autohändler Europas, erfahren will, liest am besten die «Bilanz» – das Magazin über Geld und jene, die es in rauen Mengen besitzen. Da lernt man etwa in einem Interview vom letzten Oktober, dass Frey einen Range Rover fährt und beim «Offenfahren» seines Mini-Cabriolets, einer seiner vierrädrigen «Amouren», gerne eine Sherlock-Holmes-Mütze trägt. Eine Bildunterschrift lautet: «Er liebt einfach Autos.» Für Frey, auch das erfährt man in diesem Interview, ist Autofahren nicht nur Liebhaberei und Milliardengeschäft. Es gilt die Formel: Autofahren gleich Freiheit gleich «ein permanenter Kampf gegen die Bevormundung des Staates».
Diesen Kampf weitet Frey jetzt offenbar auf die Wissenschaft aus: Die Universität Zürich (UZH) vermeldete vergangene Woche feierlich, dass «dank einer Schenkung der Emil Frey Gruppe in der Höhe von 12,7 Millionen Franken» ein neues Forschungszentrum für die Zukunft individueller Mobilität eingerichtet werde. Angesiedelt wird es am Institut für Betriebswirtschaftslehre der Wirtschaftswissenschaftlichen Fakultät. Den Lehrstuhl will die Uni mit einer Professur für dreissig Jahre besetzen.
Was für ein Geist durch das neue Forschungszentrum wehen soll, erfährt man von Fakultätsdekan Harald Gall. Die UZH habe «den grossen Forschungsbedarf für diesen wichtigen und innovativen Markt erkannt», lässt Gall sich in einer Medienmitteilung zitieren. Es gebe viele Fragen, «etwa wie Angebote für Kunden gestaltet oder Anreize gesetzt werden». Es geht demnach um Forschung für den Markt der individuellen Mobilität, also um Autos – also um «Freiheit».
Rückzug des Staates
Dass Unternehmen überhaupt Lehrstühle finanzieren, ist auch eine Folge davon, dass Universitäten staatlich unterfinanziert sind. Nächstes Jahr will der Bund die Gelder für Hochschulen und Universitäten auch noch um insgesamt 460 Millionen Franken kürzen. Damit dürfte er nicht nur die Forschung empfindlich schwächen, sondern auch den Druck auf die Bildungsinstitutionen erhöhen, private Geldgeber und deren Wünsche zu akzeptieren. Aktuell stammen gemäss Bundesamt für Statistik rund acht Prozent der Gelder der Universitäten aus Stiftungen oder sind private Forschungsmandate. An der Uni Zürich sind heute 26 von 738 Professuren privat finanziert, zu den grössten Geldgebern gehört die UBS. Wo sich der Staat zurückzieht, kommen eben die Banken und Autolobbyisten und zücken das Scheckbuch.
Die meisten Universitäten garantieren zwar auf dem Papier akademische Freiheit, etwa indem die Geldgeber bei den personellen Besetzungen der Lehrstühle nicht mitreden dürfen. Allerdings bestimmen die Financiers – wenn sie thematisch so klar eingegrenzte Institute sponsern wie jetzt Frey – das akademische Lehrangebot mit. Also auch, was Menschen überhaupt studieren und welche Gebiete sie lehren und beforschen.
Beim neuen Zürcher Autolehrstuhl ist zudem nicht mal bloss von einem Sponsoring die Rede, sondern gleich von einer Partnerschaft. Die Universität spricht auf Anfrage von einer «gemeinsamen Idee», aber auch von einem «Wunsch» seitens Walter Frey, eine wissenschaftliche Lücke zu schliessen. Und dessen Unternehmen hat schon jetzt einiges zu sagen: In einem ausführlichen «Interview» mit der Kommunikationsabteilung der UZH darf die federführende Generation, bestehend aus Walter Freys Kindern Kathrin und Lorenz, darlegen, «welche Erwartungen das Familienunternehmen an das neue Forschungszentrum hat». Laut Kathrin Frey: «Erkenntnisse zum Nutzen aller». Zudem erhält das Institut einen externen Beirat, in dem Vertreter:innen der Emil Frey AG einsitzen. Dieser habe «ausschliesslich eine beratende Rolle», beteuert die Universität auf Anfrage. Ein Vertrag halte fest, dass das Unternehmen «keinerlei Einfluss auf die Forschungsagenda» habe.
Auto-Schweiz an der HSG
Die Autolobby mag zwar auf dem Feld der Politik vom Nein zum Autobahnausbau gebremst worden sein. In der Wissenschaft aber saust sie voraus. So kündigte auch Peter Grünenfelder, Präsident von Auto-Schweiz, der Vereinigung Schweizer Automobil-Importeure, letztes Jahr an, man wolle Verkehrsprofessuren an Schweizer Hochschulen finanzieren. «Die Forschung bliebe unabhängig, doch bei der Auswahl des Personals würden die Geldgeber mitreden», legte Grünenfelder in der NZZ sein Verständnis von akademischer Freiheit dar.
Am Institut für Mobilität an der Hochschule St. Gallen (HSG) sponsert Auto-Schweiz einen neuen Lehrstuhl mit 2.68 Millionen Franken.* Der Vertrag über die Fördervereinbarung, der der WOZ vorliegt, dämpft Grünenfelders Ambitionen zwar und verbietet Auto-Schweiz die Mitsprache bei der Besetzung der Stellen. Doch ist dem Verband das Recht eingeräumt, innert der ersten drei Jahre aus dem Arrangement auszusteigen. Dann müsste die Universität finanziell einspringen, denn sie hat den Lehrstuhl auf acht Jahre garantiert.
Man muss schon etwas Nonchalance besitzen, um darin kein Problem zu sehen. Oder einen Range Rover und ein paar Amouren.
* Korrigenda vom 26. März 2025: In der früheren Ausgabe dieses Text hiess es, das Institut für Mobilität an der Hochschule St. Gallen (HSG) sei neu. Richtig ist, dass es das Institut für Mobilität schon lange gibt. Neu ist ein Lehrstuhl an diesem Institut, der von Auto-Schweiz gesponsert wird.