Wissenschaft in den USA: Klimaforschung bald im Blindflug?

Nr. 16 –

Projekte zusammenstreichen, Wissenschaftler:innen entlassen: Macht die US-Regierung so weiter, fehlen künftig zentrale Datengrundlagen zur Bekämpfung der Erderhitzung.

Diesen Artikel hören (5:59)
-15
+15
-15
/
+15
Aufnahme eines «Bombenzyklons» über der US-Westküste von einem NOAA-Satelliten
Wer braucht schon Forschung, wenn es gar keinen Klimawandel gibt? Aufnahme eines «Bombenzyklons» über der US-Westküste von einem NOAA-Satelliten. Satellitenbild: Imago

Was für ein seltener Anblick: Ein altgedienter Parlamentsabgeordneter, deutlich jenseits der achtzig, bringt auf einem Rockkonzert Zehntausende dazu, frenetisch zu jubeln. So geschehen am vergangenen Wochenende auf dem Coachella Valley Music and Arts Festival im US-Bundesstaat Kalifornien, einem der weltweit grössten seiner Art, alljährlich an zwei aufeinanderfolgenden Wochenenden stattfindend. In diesem Jahr treten unter anderem Lady Gaga, Benson Boone und Brian May, Astrophysiker, Gitarrist und einstiges Mitglied der Rockband Queen, auf, wie «The Hollywood Reporter» berichtet.

Und zwischen all den alten und ganz jungen Popgrössen der 83-jährige US-Senator Bernie Sanders, der die jungen Zuschauer:innen unter tosendem Applaus dazu aufrief, sich für Frauenrechte, Gerechtigkeit für People of Color und ein Ende des Krieges in Gaza einzusetzen. Präsident Trump liege mit seinem Leugnen des Klimawandels gefährlich falsch. «Ihr und ich müssen gegen die fossile Industrie aufstehen und sie davon abhalten, den Planeten zu zerstören», so das linke Idol laut der Nachrichtenagentur AFP.

Nötig wäre das mehr denn je, denn der trumpsche Bulldozer ist unvermindert dabei, neben vielem anderem auch Klimaschutz und Klimawissenschaften aus dem Weg zu räumen. Letzte Woche verfügte das Weisse Haus per präsidialer Direktive, dass alle juristischen Verfahren auf Eis zu legen seien, mit denen Klimagesetze der Bundesstaaten durchgesetzt und Energiekonzerne zur Rechenschaft gezogen werden sollen.

Mehr als ein Wetterdienst

Derweil trifft die von Elon Musk organisierte beispiellose Entlassungswelle auch die Klimawissenschaften hart. Betroffen ist unter anderem die National Oceanic and Atmospheric Administration (NOAA), zu der auch der US-Wetterdienst gehört. Dieser hat aufgrund der Kürzungen bereits die Zahl seiner Radiosondenaufstiege vermindert. Radiosonden sind kleine, mit Funksendern versehene Messgeräte, die an Tausenden Stellen auf dem Planeten mehrmals täglich zu festen Zeiten an Ballons aufsteigen, um Daten über Temperatur, Luftfeuchtigkeit, Luftdruck und Windgeschwindigkeit zu ermitteln. Diese Daten werden nahezu in Echtzeit unter den Wetterdiensten ausgetauscht und sind unverzichtbar für die Wettermodelle, mit denen die Prognosen für die kommenden Tage erstellt werden. Beim Deutschen Wetterdienst heisst es auf Anfrage, dass es bisher keine Beeinträchtigung der Daten aus den USA gebe.

Doch unter US-Wissenschaftler:innen geht die Angst um. Mitte Februar wurden bei der NOAA mehr als 1000 von 12 000 Mitarbeiter:innen gekündigt, was ein kalifornisches Gericht zunächst für illegal erklärte. Vergangene Woche hat der Oberste Gerichtshof das kalifornische Urteil kassiert, wodurch die Entlassungen nun wirksam wurden. «Diese Massenentlassungen bei der NOAA sind eine nationale Katastrophe», zitierte die Nachrichtenagentur Reuters schon im Februar Jane Lubchenco, die die Behörde unter Barack Obama geleitet hatte. «NOAA die Fähigkeit zu nehmen, lebensrettende Informationen zu liefern, die Meere zu schützen und die Wirtschaft zu stärken, ergibt überhaupt keinen Sinn.»

In einem offenen Brief hatten sich Anfang April über 1900 Mitglieder der wissenschaftlichen Akademien der USA an die Öffentlichkeit gewandt und den allgemeinen Kahlschlag in der Forschungslandschaft beklagt. Laufende Forschungsprojekte müssen vielfach eingestellt und die nächste Generation von Wissenschaftler:innen kann nicht mehr ausgebildet werden. Ein Beispiel von vielen ist das Ende mehrerer über die NOAA finanzierter Projekte an der renommierten Princeton-Universität in New Jersey, wie vergangene Woche bekannt wurde. Sie beschäftigten sich unter anderem mit Schwankungen im globalen Wasserhaushalt und der Frage, wie man Küsten in Zeiten steigender Meeresspiegel schützen kann.

Wenn Messungen fehlen

Doch das scheint erst der Anfang. Das Magazin «Science» berichtete am Freitag vergangener Woche von Haushaltsplänen der Regierung, die die Budgets der NOAA und auch der Nasa drastisch kürzen würden. Bei der Weltraumagentur wären nicht nur Raumfahrt und astrophysikalische Forschung betroffen, sondern auch die dort betriebene Klimaforschung. Bei der NOAA sollen Wettersatelliten nicht mehr mit Messgeräten für die Luftverschmutzung ausgestattet und die Meeresforschung radikal zusammengestrichen werden. Betroffen sind auch Küstenschutzprogramme.

Schlimmstenfalls werden die drohenden Kürzungen auch für die internationale Forschung Folgen haben, wie Zeke Hausfather von der Berkeley-Universität in Kalifornien befürchtet. «Die NOAA spielt derzeit eine wichtige Rolle als Clearingstelle für globale Klimadaten», so Hausfather gegenüber der WOZ. Zahlreiche internationale Forschungsgruppen arbeiten mit den von der NOAA zusammengetragenen und gepflegten historischen Klimadaten wie auch mit den NOAA-Satellitendaten. «Drastische Kürzungen bei der NOAA würden unsere Fähigkeit vermindern, die Veränderungen im Klimasystem effektiv zu messen», sagt Hausfather. «Das wäre, als würden wir uns die Augen verbinden, um die unbequeme Wahrheit über die rasche Veränderung der Welt nicht zu sehen.»