Licht im Tunnel: Männerfantasien
Michelle Steinbeck über die Babyträume der Bösewichte

Es war einmal ein Theaterstück, in dem ein von mir erfundener König die überwältigenden Probleme seines Reichs mit einer radikalen Massnahme frohgemut löste: Er schaffte die Fortpflanzung ab. Keine Zukunft – kein Problem! Das Ende der Menschheit sollte eine einzige Party sein. Sein Vermögen teilte der König mit all seinen Untertanen, die nun Tag und Nacht mit ihm feiern sollten. Das Happy End ist der Normalzustand, bis der Königstochter von einem nichtsnutzigen Puppenbauer ein Babybauch angeflucht wird.
Zugegeben: Mit meinem hedonistischen Märchenkönig lag ich völlig daneben. Die realen Regenten von heute sind zwar ebenso wenig an einer lebenswerten Zukunft interessiert wie er, und sie teilen Idee und Praxis, weibliche Körper zu beherrschen. Aber sie wollen: Babys. En masse. Und dabei nicht den Anschein erwecken, auch nur ansatzweise rationalen Gedanken zu folgen, geschweige denn irgendein Gemeinwohl propagieren.
Es ist Thema Nummer eins der übelsten Psychopathen der Welt: das Heranzüchten von «Legionen von Kindern». Natürlich nicht irgendwelche, die Babys müssen schon aussehen wie man selbst und denselben Blödsinn daherreden. Das Problem: Der Teil der Bevölkerung, der diesen ersehnten Nachwuchs fabrizieren kann, scheint merkwürdigerweise weniger motiviert. Trotz aller lächerlicher bis gewaltvoller Versuche, Gebärfähige zu ihrer Bestimmung zu zwingen: Es seien, stellt der «Blick» fest, keine «wirklich wirkungsvollen Massnahmen» bekannt, um die Geburtenrate zu heben.
Dabei sind die Anreize doch unwiderstehlich! Etwa die türkische Fussballmannschaft, die kürzlich mit einem herz- und uteruserweichenden Spruchband übers Feld lief: «Natürliche Geburt ist natürlich». Sie warben für das Kaiserschnittverbot, eingeführt von König Erdogan, da man nach einer sogenannt natürlichen Geburt schneller wieder schwanger werden soll. Mancherorts gibts sogar eine Prämie: Tausend Euro kriegen Italienerinnen in Heterobeziehungen, die für den eigenen Partner ein Kind gebären. Das reicht zwar nicht weit, aber Danke sagen könnten sie trotzdem, vor allem, nachdem sie in der Klinik von Abtreibungsgegner:innen, die extra von der kinderliebenden Regierung angeheuert wurden, vor dem Schlimmsten bewahrt worden sind.
Dass Geld alles regelt, weiss auch der Kaiser vom Mars, der derzeit noch auf unserer Erde seinen heilsbringenden Samen verspritzt. Er zahlt den Müttern seiner «Legion» realistischere Summen, damit diese keine Public School besuchen muss. Allerdings fürchtet er die «Natürlichkeit»: Musk-Babys entstehen durch künstliche Befruchtung und werden von männlichen Ärzten per Kaiserschnitt geboren – für noch mehr, ganz nach ihm kommende Intelligenz.
Nicht nur von «Natürlichkeit», sondern vom Speziesismus abgekommen ist die Widerstandsbewegung in meiner Theatermärchenwelt: Da wird Elternschaft auch in Zeiten von Reproduktionsverbot gelebt, indem etwa sprechende Schlänglein und Basilikumtöpfe adoptiert werden. Gar nicht gut fand dieses Konzept der kürzlich verstorbene, auf magische Weise milliardenfache Papa Francesco. Die Geburtsfaulheit jener Menschen, die sich lieber Haustiere als Kinder zulegen, störte ihn bekanntlich sehr. Allerdings brachte sie ihn auch zur Weisheit, zu einem «besseren Umgang mit Migranten» aufzurufen. Diese seien schliesslich «die Kinder, die wir nicht haben wollen».
Michelle Steinbeck ist Autorin. Ihr Stück «Die beste aller Zeiten» wird am Wochenende am Theaterfestival Play in Bern vorgestellt.