Licht im Tunnel: Flexibel bleiben …
… ruft Michelle Steinbeck, und am 14. Juni raus zum feministischen Streik!

Die Schweiz ist laut Unicef das familienunfreundlichste Land Europas. Und das mit Stolz. Die bürgerliche Mehrheit in der Kommission für soziale Sicherheit des Nationalrats (SGK) will sich dafür einen Orden verdienen und die bisherige, im internationalen Vergleich allergeizigste Regelung von vierzehn Wochen Mutterschutz und zwei Wochen Vaterschaftsurlaub im FDP-Slang «flexibilisieren». Genannt wird das fortschrittlich «Elternzeit» – diese bringt jedoch keinerlei Verbesserung und Entlastung für Familien. Tatsächlich bleibt es bei den bestehenden (mehr oder weniger) bezahlten sechzehn Wochen «Urlaub», die sich Eltern mit Neugeborenen im Namen der Gleichstellung nun «paritätisch» aufteilen sollen.
Laut Grünen-Chefin Lisa Mazzone bedeutet dies, dass Mütter auf einen Teil ihres «Urlaubs» verzichten müssen, um den Vätern zu erlauben, «ihren Teil der Verantwortung» wahrzunehmen. Wenn sie das «aus gesundheitlichen oder anderen völlig nachvollziehbaren Gründen» nicht tun, so SP-Ko-Chefin Mattea Meyer, seien sie «dann selbst schuld, wenn es mit der Gleichberechtigung nicht vorwärtsgeht». Gleichzeitig könnte auch der Druck auf Väter steigen, auf ihren Teil zu verzichten, was wiederum die noch neue Errungenschaft des bescheidenen Schweizer Vaterschaftsurlaubs zunichtemachen würde. SP-Nationalrätin Tamara Funiciello folgert: «Anstatt über dringend nötige Verbesserungen für Mütter und Väter zu reden, müssen wir plötzlich den bestehenden Mutterschutz verteidigen.»
«Wir wollen Eltern einfach mehr Flexibilität geben», meint dagegen FDP-Nationalrat Andri Silberschmidt. Flexibilität, hm, das klingt für eine Person mit Geburtserfahrung erst mal nach unvorstellbar gedehnter Haut, dann nach gemächlich verheilten Geburtsverletzungen, ausgedehnten Rückbildungskursen, knackigen Beckenböden (Hebammenslang), allenfalls nach Stillenlernen in allen möglichen Positionen und Situationen. Dass Cis-Männer in diesem Kontext überhaupt das Wort «Flexibilität» in den Mund nehmen, sollte sanktioniert werden.
Diese «Fake-Elternzeit» (Funiciello) ist übrigens nicht zu verwechseln mit der Forderung der derzeit laufenden Familienzeit-Initiative, die je achtzehn bezahlte Wochen für beide Elternteile will. Kathrin Bertschy (GLP), Kopräsidentin der Initiative, wertet den Entscheid der SGK leichthin als «letztes Aufbäumen der konservativen Kräfte, die merken, dass sie die gesellschaftliche Entwicklung nicht stoppen können»; die Stimmbevölkerung würde «niemals» eine Kürzung des jetzigen Mutterschutzes akzeptieren. Gegen diesen Optimismus spricht, dass es um die Verkündigung der Elternzeit der SGK merkwürdig still geblieben ist. Und in den Kommentarspalten zu Artikeln zum Thema stürmt ein ganz anderer Wind: Da wird kontrafaktisch über den «Ausbau des Sozialstaats» gegeifert und über Familiengründung als «Privatsache», die überhaupt nicht unterstützt werden sollte.
Realistischer wirkt das Verdikt der Eidgenössischen Kommission dini Mueter (EKdM), die in der Elternzeit der SGK einen Ausdruck des frauenfeindlichen Backlash erkennt und klar benennt, dass jene einen Rückschritt auf Kosten des Mutterschafts- und Vaterschaftsurlaubs darstellt: «Der Vorschlag, den Mutterschutz zu kürzen, um Vätern ein paar Wochen Elternzeit zu ermöglichen […], verkauft Abbau als Fortschritt – und spielt Frauen gegen Männer aus.»
Michelle Steinbeck ist selbstständige Autorin und Mutter mit Existenzängsten.