Linker Aufschwung in Italien: Fünfmal gegen Meloni

Nr. 23 –

Gewerkschaften und Opposition setzen Italiens Rechtsregierung mit mehreren Referendumsabstimmungen unter Druck. Ist der Widerstand blosses Strohfeuer oder nachhaltig?

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Von etlichen Mächtigen in der Welt hofiert und von der globalen Rechten gefeiert: Zweieinhalb Jahre nach Giorgia Melonis Amtsantritt als Premierministerin einer extrem rechten Koalition sind es vor allem die Auftritte auf internationalem Parkett, denen sie ihre ungebrochene Popularität zu verdanken hat, auch in Italien. Innenpolitisch allerdings sieht sich Meloni mit wachsenden Problemen konfrontiert. Das liegt auch am Wiedererwachen der Opposition. Deren derzeit wichtigstes Projekt sind fünf Gesetzesinitiativen, über die am 8. und 9. Juni per Referendum abgestimmt wird.

In vier Fällen geht es um die Rücknahme neoliberaler Reformen des Arbeitsmarkts. Diese erleichtern Kündigungen und befristete Arbeitsverträge oder begrenzen die Höhe von Abfindungen und Entschädigungen für Arbeitsunfälle. Da die Verfassung lediglich ein «abrogatives» (abschaffendes) Referendum vorsieht, können die entsprechenden Gesetze nur zugunsten der vor ihrem Inkrafttreten gültigen Regelungen aufgehoben werden. So würde im Fall des fünften Referendums zur Frage der Einbürgerung von Menschen aus Nicht-EU-Staaten die Wartezeit von derzeit zehn auf fünf Jahre verkürzt werden, wie das bis 1992 vorgeschrieben war.

Fehler der Ära Renzi

Initiiert wurden die Referenden vom Gewerkschaftsbund CGIL beziehungsweise von der Vereinigung der Italiener:innen ohne Staatsbürgerschaft. Zu den Unterstützer:innen gehören neben vielen zivilgesellschaftlichen Basisinitiativen auch die Oppositionsparteien Partito Democratico (PD) und Movimento Cinque Stelle (M5S) sowie das links-grüne Bündnis Alleanza Verdi e Sinistra (AVS). Zu schaffen macht den Initiant:innen allerdings eine Besonderheit der italienischen Verfassung: Wenn weniger als die Hälfte der Wahlberechtigten abstimmen, ist das Ergebnis nichtig. Darauf setzen Meloni und ihre Verbündeten, die ganz offen zum Boykott aufrufen. Hinzu kommt die mangelhafte Berichterstattung der öffentlich-rechtlichen RAI-Sender. Gemäss Umfragen waren viele Italiener:innen noch vor kurzem nur unzureichend darüber informiert, was da zur Abstimmung steht.

Das hat auch Verfassungsrechtler:innen mobilisiert, die sich um ein demokratisches Grundrecht Sorgen machen. Zu ihnen gehört der 84-jährige Rechtsphilosoph Luigi Ferrajoli. Anfang Juni gehe es nicht nur um die Aufhebung schlechter Gesetze, schrieb er, sondern mehr noch um ein Zeichen gegen die gesamte illiberale und antisoziale Politik der Regierung – eine Politik gegen Geist und Buchstaben der republikanischen Verfassung von 1948. Denn deren Artikel 3 garantiert nicht nur allgemein die Gleichheit aller Staatsbürger:innen, sondern verpflichtet die staatlichen Institutionen auch zu einer aktiven Politik, um «die Hindernisse abzuschaffen, welche tatsächlich die Freiheit und Gleichheit der Bürger einschränken».

Von solchen Bemühungen ist die Meloni-Regierung weit entfernt. Zwar ist die Zahl der Beschäftigten gestiegen – vor allem aber, weil Ältere länger arbeiten müssen. Nach jüngsten Zahlen des staatlichen Statistikinstituts Istat sind 23 Prozent der Bevölkerung (in den südlichen Regionen 40 Prozent) arm oder von Armut bedroht; ein Drittel der jungen Menschen unter 34 haben nur einen befristeten Job oder arbeiten unfreiwillig in Teilzeit. Dazu haben auch die Gesetze beigetragen, deren Abschaffung jetzt zur Abstimmung steht. Mehrere davon stammen aus der Regierungszeit von Mitte-Links unter Matteo Renzi, die von Anfang 2014 bis Ende 2016 dauerte. Renzi war damals auch Vorsitzender des Partito Democratico. Seine amtierende Nachfolgerin Elly Schlein hat jetzt öffentlich dazu aufgefordert, die Referenden auch als Gelegenheit zur Korrektur eigener Fehler zu nutzen.

Neues repressives Gesetz droht

Was das Erreichen des Fünfzig-Prozent-Quorums angeht, äussern sich Schlein und andere Exponent:innen der Kampagne optimistisch. Der Gewerkschafter Alfiero Grandi erinnert an die Folgen der erfolgreichen Abstimmung gegen die Privatisierung der Wasserversorgung im Jahr 2011: «Damals rief Silvio Berlusconi zur Enthaltung auf. Sechs Monate später stürzte er.» Ein ähnliches Szenario in Bezug auf die aktuelle Meloni-Regierung ist derzeit ziemlich unwahrscheinlich, zumal die nächste Parlamentswahl erst im Herbst 2027 stattfindet. Bislang sieht es eher danach aus, dass Giorgia Meloni ihre gesamte fünfjährige Amtszeit übersteht. Um wenigstens ihre Wiederwahl zu verhindern, wäre ein positiver Ausgang der Referenden ein wichtiger Schritt. Einige Kommentator:innen werten schon eine Beteiligung von vierzig Prozent als Erfolg. Damit wären die Referenden zwar gescheitert, von den mehr als zwanzig Millionen Abstimmenden dürfte allerdings die Mehrheit mit Ja stimmen. Das würde auch die Opposition zu weiteren gemeinsamen Anstrengungen ermutigen.

Während die Referendumskampagne kurz vor der Entscheidung noch einmal Fahrt aufnahm, versammelten sich am 31. Mai in Rom 150 000 Menschen zum Protest gegen das von der Regierung auf den Weg gebrachte repressive Sicherheitsgesetz. Es sieht insgesamt vierzehn neue Delikte vor und bedroht selbst passiven Widerstand in Gefängnissen oder die Teilnahme an Hausbesetzungen sowie Strassenblockaden mit hohen Strafen. Erklärtes Ziel der Demonstrierenden: «Wir wollen diese Regierung nach Hause schicken!»