Geopolitik: Pragmatiker unter Druck

Nr. 25 –

Die Golfstaaten haben sich in den letzten Jahren sowohl Israel als auch dem Iran angenähert. Nun bieten sie sich als alternativlose Vermittler an.

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Es ist eine ungewöhnliche Formulierung, die Saudi-Arabien gewählt hat: Angesichts der neuen militärischen Eskalation in seiner Nachbarschaft sprach das Königreich vergangene Woche von einer «offensichtlichen israelischen Aggression gegen die brüderliche Islamische Republik Iran». Noch bis vor zwei Jahren wäre das undenkbar gewesen.

Erst 2023 hatten die Regierungen von Saudi-Arabien und dem Iran unter Vermittlung von China beschlossen, ihre jahrzehntelange Feindschaft im Wettstreit um die Vormachtstellung im Nahen Osten zu beenden. Keine Freundschaft, aber immerhin Pragmatismus und vertrauensvolle Gespräche waren die Folge. Etwa im vergangenen April, als Verteidigungsminister Prinz Chalid Bin Salman als erster hochrangiger saudischer Politiker seit Jahren nach Teheran aufbrach. US-Präsident Donald Trump hatte kurz zuvor angekündigt, neue Verhandlungen aufnehmen und eine Einigung im Atomstreit erzielen zu wollen. Saudi-Arabien drängte den Iran gemäss Medienberichten dazu, zügig ein entsprechendes Abkommen zu unterzeichnen. Ansonsten würde Israel das Land bald angreifen.

Geheime Gelüste

Letzte Woche – die jüngste Atomdealrunde war für vergangenen Sonntag in der omanischen Hauptstadt Maskat angesetzt – ist der lang befürchtete Krieg zwischen Israel und dem Iran offen ausgebrochen. Er setzt Saudi-Arabien, aber auch die übrigen Golfstaaten unter Druck. Zwar stellten einige Analyst:innen in den vergangenen Tagen die These auf, dass sich die Golfstaaten aller Annäherung und allen Beistandsbekundungen zum Trotz insgeheim vielleicht doch über eine militärische Schwächung des Regimes in Teheran freuen. Längst steht jedoch fest, dass kein Land in der Region ein echtes Interesse an einer weitreichenden Eskalation haben kann. Doch die gegenseitigen Angriffe dauern an, die Opferzahlen steigen auf beiden Seiten.

Ob in Kuwait, Bahrain, Katar oder den Vereinigten Arabischen Emiraten (VAE) – überall am Golf unterhalten die USA Militärbasen. Sollten sie sich dazu entscheiden, aktiv in den Krieg einzugreifen, könnten diese Basen eine entscheidende Rolle spielen. Zudem steht die Befürchtung im Raum, dass der Iran die Strasse von Hormus sperren könnte, über die die Opec-Mitgliedstaaten einen Grossteil ihrer Ölexporte abwickeln. Selbst in den Krieg einzugreifen, ist für die Golfstaaten aber keine Option, zumal gar nicht klar ist, für welche Seite sich die Länder überhaupt entscheiden sollten – bestand ihre Strategie in den vergangenen Jahren doch eben darin, sich möglichst viele Gesprächskanäle offenzuhalten.

Zorn und Nähe

Bahrain und die VAE haben mit den Abraham Accords 2020 ihre Beziehungen zu Israel normalisiert – trotzdem verurteilen sie die aktuelle Eskalation ähnlich deutlich wie Saudi-Arabien. Auch dessen Regierung hatte sich 2023 parallel zur Annäherung an den Iran um eine Normalisierung der Beziehungen zu Israel bemüht. Bis die Gespräche nach dem Terrorangriff vom 7. Oktober und dem Beginn des Gazakriegs abbrachen. Zuletzt zog das Land den Zorn Israels auf sich, weil es gemeinsam mit Frankreich einer Konferenz über eine Zweistaatenlösung Ende Juni vorsitzen sollte. Diese Konferenz wurde nun verschoben. Ohnehin verhindern aber die guten Beziehungen Saudi-Arabiens zur Trump-Regierung eine direkte militärische Konfrontation mit Israel.

Den Golfstaaten bleibt wenig anderes übrig, als die Eskalation auszusitzen – oder eine Vermittlerrolle zu übernehmen. So hat der Iran laut einem Reuters-Bericht mittlerweile Saudi-Arabien, Katar und den Oman gebeten, den USA eine Nachricht zu übermitteln: Sie sollen Israel zu einem Waffenstillstand bewegen. Im Gegenzug habe das iranische Regime Flexibilität bei den Atomverhandlungen angeboten.

Noch scheint es nicht so, als sei diese Nachricht wohlwollend aufgenommen worden. Eine Chance, dass die Golfstaaten als Mittler Erfolg haben könnten, besteht dennoch. Allein aus Mangel an echten Alternativen.