Neuer Mitte-Präsident: Bregys Mission

Nr. 26 –

Am Samstag wird Philipp Matthias Bregy zum Mitte-Parteipräsidenten gewählt. Der Walliser Anwalt kämpft an vorderster Front gegen strengere Transparenzvorschriften für Konzerne und Anwält:innen.

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Portraitfoto von Philipp Matthias Bregy
An vorderster Front für die Schattenwirtschaft: Philipp Matthias Bregy. Foto: Alessandro Della Valle, Keystone

Viel wurde schon über die Anwaltskanzlei geschrieben, in der der designierte Mitte-Präsident Philipp Matthias Bregy gemeinsam mit seinem Weggefährten Beat Rieder in Brig tätig ist. Es wurde gemutmasst: Wie viele Vorstösse haben Nationalrat Bregy und Ständerat Rieder in den schmucklosen Büros ausgetüftelt? Welche Strategien ausgeheckt? Doch tatsächlich dringt kaum etwas nach draussen aus der Kanzlei, die sich auf der Website maximal diskret mit Adresse, Telefonnummer und Firmennamen bewirbt: «Rieder und Pfammatter – Advokatur und Notariat». Dabei wäre vor allem eine Frage besonders interessant: Wen und wessen Interessen betreuen Rieder und Bregy mit der Kanzlei eigentlich so?

Die Frage drängt sich aus aktuellem Anlass auf: Im Parlament werden derzeit schärfere Regeln gegenüber dem Schweizer Finanzplatz verhandelt: Der Bundesrat will Firmen zu mehr Transparenz über ihre Besitzverhältnisse verpflichten. Gleichzeitig sollen nach Banker:innen neu auch Anwältinnen, Notare und Treuhänderinnen den Geldwäscherei-Sorgfaltspflichten unterstellt werden.

Ein rechtes Abwehrdispositiv

Die Schweiz reagiert damit auf den zunehmenden internationalen Druck, stärker gegen Geldwäscherei, Terrorismus- und Kriegsfinanzierung vorzugehen. Dies auch vor dem Hintergrund des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine, der noch immer durch den undurchsichtigen Schweizer Handelsplatz mitfinanziert wird. Dank der hiesigen Gesetzeslücken können Oligarchen, Mafiabosse und andere Kriminelle ausserdem weiterhin über Scheinfirmen oder mit verschachtelten Firmenkonstrukten Gelder in der Schweiz waschen und verstecken. Im neusten Schattenfinanzindex des unabhängigen internationalen Tax Justice Network rangiert die Schweiz hinter den USA auf Platz zwei.

Mit an vorderster Front für die Schattenwirtschaft: Philipp Matthias Bregy – flankiert von Kanzleikollege Beat Rieder. Rieder im Ständerat – und Bregy, der sich am Samstag bei der Delegiertenversammlung der Mitte-Partei als einziger Kandidat fürs Präsident:innenamt zur Verfügung stellen wird, im Nationalrat. Die beiden Walliser sind Teil eines rechtsliberalen Abwehrdispositivs, das in der eben zu Ende gegangenen Sommersession die Vorlage des Bundesrats regelrecht zerpflückt hat.

Begonnen hatte die Abwehrschlacht indes bereits letzten Herbst, in der von der Anwaltslobby dominierten ständerätlichen Rechtskommission. Diese beschloss damals, die Vorlage des Bundesrats aufzusplitten – offensichtlich, um konzertiert gegen jenen Teil der Vorlage vorgehen zu können, der die Sorgfaltspflichten der Anwältinnen und Notare betrifft. Die Kommission splittete die Vorlage aber nicht nur auf, sie beauftragte die Verwaltung auch gleich damit, «unter Einbezug eines runden Tisches der betroffenen Berater» einen neuen, abgeschwächten Vorschlag auszuarbeiten. Oder wie es die Kommission euphemistisch formulierte: ­«einen Vorschlag […], der das Ziel verfolgt, das bestehende Abwehrdispositiv unter Beibehaltung der Selbstregulierung insoweit zu stärken, dass damit ausschliesslich die eigentlichen Kernrisiken risikobehafteter Tätigkeiten abgedeckt sind.»

Die Behörden kamen der Aufforderung nach – und der Ständerat stimmte in der Sommersession der Wunschvorlage seiner Kommission zu.

Zu besonders treuen Händen

Konkret wehrt sich der Ständerat gegen das Kernelement der Verschärfung. Deren erklärtes Ziel war es, auch die beratenden Tätigkeiten der Branche dem Geldwäschereigesetz zu unterstellen: Denn wer heute in der Schweiz schmutziges Geld verstecken will, muss nur den richtigen Anwalt oder die richtige Treuhänderin finden. Er oder sie gründet eine Briefkastenfirma, die zum Beispiel Villen an bester Lage kauft. Im Handelsregister ist in solchen Fällen bislang nur der beauftragte Berater eingetragen, der wahre Eigentümer bleibt anonym.

Die Bundesratsvorlage wollte die Branche dazu verpflichten, genaue Abklärungen zu treffen und bei Verdacht auf Geldwäsche eine entsprechende Meldung zu machen. Der Ständerat hingegen hat nun beschlossen: Die vom Bundesrat vorgeschlagenen Regeln sollen nur gelten, wenn die Berater:innen an finanziellen Transaktionen beteiligt sind – was teilweise schon heute gilt und die Reform praktisch obsolet machen würde. Selbst bei den Transaktionen hat der Ständerat weitreichende Ausnahmen beschlossen: Bei Grundstücksweitergaben innerhalb der Familie oder Immobilientransaktionen im Wert von unter fünf Millionen Franken sollen die Regeln nicht gelten.

Rieder wollte selbst auf diesen abgeschwächten Vorschlag nicht eintreten. In der Debatte sagte er, der Vorschlag der Kommission habe die richtige Stossrichtung. «Aber im Grunde geht auch er bereits zu weit.»

Bregys Medienschelte

Der Nationalrat hat in der Sommersession als Zweitrat den anderen Teil der Bundesratsvorlage beraten: die Schaffung eines Transparenzregisters für wirtschaftlich Berechtigte von Unternehmen. Diese sollen mit dem neuen Gesetz verpflichtet werden, den Behörden zu melden, wer eine Firma effektiv kontrolliert. Doch: Schon der Vorschlag von Finanzministerin Karin Keller-Sutter war gutschweizerisch verwässert. So will der Bundesrat Medien und NGOs keinen Zugang zum Register gewähren, obwohl die EU in ihrer Anti-Geldwäsche-Richtlinie deren «berechtigtes Interesse» explizit anerkennt. Ständerat und Nationalrat haben der Vorlage nun weitere Zähne gezogen und auch Stiftungen und Vereine vom Gesetz ausgenommen. Im Nationalrat einer der Wortführer dafür: Bregy. Die Schweiz wolle immer der Musterknabe sein, behauptete er in der Debatte. Auch gegenüber Medien und NGOs teilte er aus: «Ich habe noch nie gehört, dass Medien und NGOs im Dienst der Verbrechensbekämpfung stehen.»

Wie viel am Ende von den Transparenzvorschriften übrig bleiben wird, entscheidet sich an hochtechnischen, aber entscheidenden Details: Der Ständerat will eine «Richtigkeitsvermutung» ins Gesetz schreiben. Das hiesse: Banker:innen und andere Finanzintermediäre wie etwa spezialisierte Vermögensverwaltungen könnten sich bei der Überprüfung ihrer Kund:innen künftig einfach auf das Transparenzregister berufen – ohne überprüfen zu müssen, ob diese Daten wirklich korrekt sind.

Dies würde einen Rückschritt gegenüber den heute schon geltenden Sorgfaltspflichten bedeuten. Anders als der Ständerat hat der Nationalrat diesen Passus mit knapper Mehrheit gestrichen. Bregy allerdings betonte im Parlament, er stehe eigentlich hinter der Forderung. Er habe den Passus nicht aus Überzeugung abgelehnt, es sei ihm dabei einzig darum gegangen, die Frage in der Differenzbereinigung noch einmal zu diskutieren.

«Ein ganz grosses Geschäft»

Bregys Mission ist klar: Der Mann, der in Porträts, für die ihn Journalist:innen gern auf den Fussballplatz begleiten, oft als «gmögig» und volksnah beschrieben wird, kämpft seit seiner Wahl in den Nationalrat vor sechs Jahren dafür, dass seine Branche möglichst alle Freiheiten behält. Schon 2020 war er zusammen mit Rieder einer der Wortführer, als das Parlament völlig überraschend einen ersten Versuch beerdigte, Anwältinnen und Notare dem Geldwäschereigesetz zu unterstellen.

Ob und inwieweit Bregy und Rieder in ihrer Tätigkeit in Brig von den laxen Schweizer Kontrollmechanismen profitieren – das kann niemand beantworten. Die Fälle, mit denen sie öffentlich in Erscheinung treten, sind unglamourös, die Kundenbücher nicht einsehbar. Der aus dem Wallis stammende Genfer Investigativjournalist Frank Garbely sagt, auch er wisse nicht, wer alles im Wallis Geld mit dem Waschen und Verstecken von schmutzigem Kapital verdiene. Klar sei nur, dass das Schattengeschäft ein ganz grosses Geschäft sei. Der Journalist hat ein Buch über die Mafiastrukturen der ’Ndrangheta im Wallis geschrieben. Deren stärkste Waffe, sagt er, seien längst nicht mehr Schrotflinte und Dynamit, «sondern ihre Treuhänder und Geschäftsanwälte, ihre Finanzberater und Bankiers».

Philipp Matthias Bregy schreibt auf Anfrage, ihm gehe es ums Prinzip: «Die Vorlage des Bundesrats verletzt das Anwaltsgeheimnis.» Persönlich profitiere er keineswegs vom Status quo: «Ich selbst bin nicht notariell tätig, und die Kanzlei macht in diesem Bereich vor allem Grundbuchüberschreibungen.»