USA und China: Ohne Chips keine Macht
Der Wettlauf um technologische und geopolitische Dominanz zwischen den USA und China dreht sich derzeit um Computerchips und seltene Erden. Welche Auswirkung hat das neue Handelsabkommen?

Mitte Mai 2025 besuchte US-Präsident Donald Trump mit zahlreichen Geschäftsleuten Saudi-Arabien, Katar und die Vereinigten Arabischen Emirate (VAE). Sie vereinbarten unter anderem die Lieferung neuster Grafikprozessoren der US-Firma Nvidia an das saudische Staatsunternehmen Humain, das Datenzentren für künstliche Intelligenz aufbauen wird, sowie an G42, ein KI-Unternehmen in den Emiraten. Das US-Halbleiterunternehmen AMD wiederum wird Humain für zehn Milliarden Dollar weitere Prozessoren liefern; andere Techfirmen aus den USA kündigten Investitionen von achtzig Milliarden in der Golfregion an.
Unter Trumps Vorgänger Joe Biden waren solche Exporte noch beschränkt worden – auch an den Persischen Golf –, damit die neusten Chips, Kerntechnologie der Prozessoren, nicht etwa weiter nach China gelangten. Kritische Stimmen aus dem US-Kongress befürchten, dass das nun passieren wird, denn die Golfstaaten und China pflegen enge Beziehungen. Die Trump-Regierung bezweckt mit den Investitionen hingegen, die Region enger an die USA zu binden. Als Gegenleistung versprachen die Regierungen von Saudi-Arabien und den VAE Investitionen von insgesamt zwei Billionen Dollar in den USA.
US-Dominanz gefährdet
Der Zugriff auf modernste Chips hat geopolitische Brisanz. Denn digitale Speicher- und Steuerelemente in Form von Chips bestimmen heute die Leistung nicht nur von Smartphones und KI-Datenzentren, sondern auch von Autos, Industriemaschinen und Waffensystemen. Die Konkurrenzfähigkeit zentraler Wirtschaftssektoren eines Staates und die politischen und militärischen Möglichkeiten seiner Regierung hängen von der Kontrolle über die neuste Chipgeneration ab. Im Ringen der USA und Chinas um globale Dominanz spielen sie deswegen eine entscheidende Rolle.
Die führende Stellung der USA in der Chiptechnologie ist seit Jahren gefährdet. Bis in die 1990er Jahre wurden die leistungsfähigsten Chips in den USA und Japan entwickelt und produziert. Seitdem haben jedoch Firmen wie Samsung (Südkorea) und TSMC (Taiwan) US-Unternehmen wie AMD und Intel technologisch den Rang abgelaufen. TSMC produziert unter anderem für Apple und Nvidia, die keine eigene Chipfabrikation haben. Die Hälfte aller weltweit hergestellten Chips und neunzig Prozent der neusten Generationen stammen heute von TSMC.
Allerdings liegen Entwicklung, Design und Produktionstechnik grösstenteils immer noch in der Hand von Unternehmen in den USA, ebenso der Einsatz der neusten Chips etwa in Apple-Smartphones oder KI-Grafikprozessoren von Nvidia. Deswegen kann die US-Regierung die Chiptechnologie weiterhin als Druckmittel in der Auseinandersetzung mit China einsetzen – zum Beispiel durch Exportbeschränkungen für Firmen aus den USA und anderen Staaten nach China. So will sie die technologische Aufholjagd chinesischer Unternehmen bremsen.
Die chinesische Regierung bemüht sich seit zwei Jahrzehnten um die technologische Aufwertung der heimischen Industrie. 2015 startete sie das Programm «Made in China 2025», mit dem sie gar nach globaler Führung in Hightechbereichen binnen zehn Jahren strebte – auch in der Chipindustrie, in der chinesische Firmen bisher nicht an die in den USA, Südkorea und Taiwan erreichte Leistung herankommen.
Bereits die erste Trump-Regierung verhängte ab 2018 Sanktionen gegen chinesische Elektronikunternehmen wie ZTE und Huawei, und sie verhängte Zölle für chinesische Solarpanels – der Anfang des «Handelskriegs» gegen China. Der Angriff auf die Chipindustrie begann 2022 unter Präsident Biden, der Lieferbeschränkungen für modernste Technologie nach China verfügte. Mit dem «CHIPS and Science Act» setzte die US-Regierung im selben Jahr ein Subventionsprogramm auf, das die technologische Führungsposition der USA in Entwicklung und Produktion von Chips langfristig sichern soll. US-Investitionen in chinesische Chip- und KI-Firmen wurden verboten.
Die chinesische Regierung bemüht sich, die Wirkung dieser Sanktionen abzufedern. Sie hat einheimische Unternehmen wie SMIC stärker gefördert, damit diese leistungsfähige Chips entwickeln und herstellen können. Huawei konnte trotz der Sanktionen bereits neue KI-Chips produzieren und baut in Shenzhen mehrere neue Fabriken. Wie weit chinesische Unternehmen auch in der KI-Technologie sind, zeigte der Erfolg von Deepseek, einer KI-App, die im Januar 2025 weltweit Wellen schlug.
Die Lieferkrise
Die Regierungen der USA und verbündeter Industriestaaten fürchten nicht nur, von chinesischen Hightechunternehmen überholt zu werden. Sie beunruhigt auch, wie anfällig ihre Ökonomien für Störungen der globalen Produktionskette sind – und wie abhängig von der Produktion in Taiwan. Während der Covid-Pandemie führten Lockdowns ab 2020 zu logistischen Engpässen bei der Chiplieferung; gleichzeitig stieg die weltweite Nachfrage nach Konsumelektronik.
Dürren und Wassermangel beeinträchtigten ab 2021 die wasserintensive Produktion im wichtigsten Herstellerland Taiwan. In der Folge hatten Firmen weltweit Probleme, an genügend Chips zu gelangen, und es kam zu Produktionsausfällen, so etwa in der europäischen Autoindustrie.
Seit 2022 hat sich zudem der geopolitische Konflikt um Taiwan, das von China als abtrünnige Provinz beansprucht und von den USA mit Waffen beliefert wird, zugespitzt. Die Aufrüstung des chinesischen Militärs und seine regelmässigen Manöver, die eine Blockade der Insel Taiwan simulieren, erhöhten die Kriegsgefahr. Eine militärische Zerstörung der taiwanischen Chipfabriken oder ihre Übernahme durch China hätten nicht nur enorme wirtschaftliche Folgen für die USA und andere Industriestaaten, sie könnten auch die Position Chinas stärken.
Die Regierungen führender Industriestaaten haben in Reaktion auf die Lieferkrise und die prekäre Lage von Taiwan neue Massnahmen ergriffen. Die US-Regierung versucht seit 2022, durch die «Chip 4 Alliance» mit Japan, Südkorea und Taiwan die Produktionskette für Chips von chinesischen Auftragsfirmen abzukoppeln. Zudem setzte sie 2023 durch, dass auch Firmen aus der EU und Japan ihre Lieferung von Chiptechnologie an China beschränken.
Auch in der EU und in Japan wurden in den letzten Jahren Programme aufgelegt, um die Entwicklung eigener Chipindustrien zu subventionieren. Viel staatliches Geld fliesst in den Bau neuer Chipfabriken ausserhalb Taiwans, an denen TSMC beteiligt ist – so in Phoenix (USA), Kikuyō (Japan) und Dresden (vgl. «Mobilisierung in Dresden» im Anschluss an diesen Text). Die neuen Fabriken in der Nähe wichtiger Abnehmer sollen die Gefahr von Lieferschwierigkeiten mindern.
TSMC will die modernsten Chips allerdings weiterhin nur in Taiwan herstellen. Dort gelten die Produktionsstätten für Chips als «Schutzschild», der einen chinesischen Militärschlag verhindern könnte, weil auch chinesische Unternehmen auf taiwanische Chips angewiesen sind.
Eskalation verhindert
Nach Trumps Regierungsantritt im Februar 2025 hat sich der Konflikt um Handel und Technologien zwischen den USA und China erneut zugespitzt. Im April schränkte die US-Regierung die Lieferung des bei TSMC im Auftrag von Nvidia produzierten Chips H20 nach China ein und erhöhte die Zölle für alle chinesischen Einfuhren auf bis zu 145 Prozent.
Die chinesische Regierung verfügte daraufhin Zölle von bis zu 125 Prozent auf amerikanische Waren und stoppte die Lieferung seltener Erden, die weltweit für die Produktion unter anderem von Autos, Drohnen und Raketen gebraucht werden. In der Volksrepublik China werden etwa siebzig Prozent aller seltenen Erden weltweit gefördert und über neunzig Prozent verarbeitet.
Am 11. Mai einigten sich beide Regierungen in Genf auf eine Neunzig-Tage-Auszeit, in der US-Zölle auf dreissig Prozent und chinesische Zölle auf zehn Prozent beschränkt wurden und Chinas Export seltener Erden hochgefahren werden sollte. Letzteres passierte danach jedoch aufgrund stockender Lizenzierungsverfahren nur langsam, sodass es in den USA, Japan und der EU zu Produktionsstopps in der Autoindustrie kam. Die US-Regierung wiederum beschränkte die Lieferung von Chipdesignsoftware, Industriegasen und Komponenten für die Nuklear- und Raumfahrtindustrie an chinesische Firmen, verbot US-Unternehmen den Kauf neuer KI-Chips von Huawei und kündigte ein Ende der Visaerteilung für chinesische Student:innen in den USA an.
Weitere Verhandlungen in London sollten eine Eskalation verhindern. Sie endeten am 11. Juni mit einem Abkommen, das die in Genf vereinbarten Zölle bestätigte und chinesische Lieferungen von seltenen Erden an US-Firmen garantieren soll. Die US-Regierung verzichtete auf Visabeschränkungen für chinesische Studierende. Mitte Juli strich sie in einer Kehrtwende auch die Lieferbeschränkungen für Nvidias H20-Chips. Sie folgte damit Nvidia-Chef Jensen Huang, der betonte, dass nur so US-Technologie der globale Standard für die Entwicklung von KI-Anwendungen bleiben könne.
Ob die neuen Vereinbarungen eingehalten werden, bleibt abzuwarten. Die Rivalität der Weltmächte wird andauern – und somit auch der Kampf um den technologischen Vorsprung und die Chips.
Widerstand gegen Chipfabriken: Mobilisierung in Dresden
Die Region Dresden ist mit über 70 000 Beschäftigten der wichtigste Produktionsstandort für Chips in Europa. Seit Jahren betreiben Global Foundries, Infineon und Bosch dort Fabriken. Nun sollen gleich zwei neue dazukommen, errichtet vom taiwanesischen Unternehmen TSMC sowie von der deutschen Infineon. Das neue Werk von TSMC, an dem auch Bosch, Infineon und NXP beteiligt sind, soll ab 2027 produzieren und 2000 Menschen beschäftigen. Von den zehn Milliarden Euro Investitionskosten übernimmt der Bund fünf. Das neue Werk von Infineon soll bereits 2026 fertig sein und 1000 Arbeitsplätze bieten. Die Kosten liegen bei fünf Milliarden Euro, der Staat fördert mit einer Milliarde. Der Branchenverband Silicon Saxony rechnet mit weiteren 9000 Arbeitsplätzen im Umfeld der neuen Werke – und mit insgesamt 30 000 neuen Beschäftigten in der Region bis 2030.
In den letzten Monaten hat sich um das linke Internationalistische Zentrum (IZ) in Dresden eine Initiative zusammengefunden, die unter anderem die sozialpolitischen und ökologischen Folgen der Chipproduktion kritisiert. Angesichts der aktuellen Aufrüstung und Militarisierung hebt sie auch deren Bedeutung bei der Herstellung moderner Waffen hervor. An der Initiative Beteiligte kritisieren, dass der Staat Milliarden in die neuen Werke und dafür benötigte Infrastruktur stecke, während Sozialprogramme und Kulturförderung in der Stadt beschnitten würden. Die Mehrzahl der neuen Beschäftigten werde wohl aus anderen Regionen kommen, was die Nachfrage auf dem Wohnungsmarkt erhöhen und zu steigenden Mieten führen dürfte. Die bestehende Verdrängung einkommensschwacher Gruppen verstärke sich damit weiter. Zudem belaste der hohe Wasserverbrauch der Chipproduktion die zunehmend unter Dürre leidende Region. Dresdner Behörden erwarteten eine Verdopplung des Wasserverbrauchs in den kommenden Jahren.