Migrationspolitik: Asylspektakel ohne Widerstand

Nr. 37 –

Unerbittlich betreibt die SVP auch in der aktuellen Herbstsession ihre Hetze gegen Geflüchtete. Die Realität spielt für sie längst keine Rolle mehr.

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Jahr für Jahr treiben Politiker:innen im Bundeshaus die Entrechtung Geflüchteter weiter voran. Für die aktuelle Herbstsession rüstet sich die SVP in bewährter Manier mit einer Flut migrationspolitischer Vorstösse zum Kampf. Zentraler Schauplatz ist die von ihr erzwungene Asyl-Sondersession – das Spektakel im Bundeshaus kann beginnen.

Neben der Übernahme der Verschärfungen im gesamteuropäischen Asylsystem (Geas) und der SVP-Volksinitiative «Keine 10-Millionen-Schweiz» drehen sich vierzehn verschiedene weitere Vorstösse um Asyl und Migration. Zehn stammen von der SVP, lediglich eine Standesinitiative aus dem Kanton Neuenburg kommt von der SP.

Gerade die migrationspolitischen Vor stösse der SVP lesen sich wie eine dystopische Vision mit der stets gleichen Erzählung: Asylsuchende missbrauchen das System, sind kriminell, die Behörden scheitern an ihrer Ausschaffung. Sich als Retterin inszenierend, kämpft die rechtsnationale Partei vehement für die Internierung und Ausschaffung Asylsuchender, um «die Bevölkerung zu schützen».

Vieles ist schon längst Realität

Der Schwyzer Ständerat Pirmin Schwander will sogenannte Asylkriminelle in ihrer Bewegungsfreiheit einschränken, in «besondere Zentren» stecken und dauerhaft überwachen. Esther Friedli, St. Galler Ständerätin, fordert, Verbrecher:innen die Aufenthaltsbewilligung zu entziehen oder sie aus dem Asylverfahren auszuschliessen. Unter dem Titel «Ghetto-Bildung verhindern» will sie zudem die Wohnsitzwahl von Geflüchteten reglementieren.

Ständerat Jakob Stark (TG) möchte die unentgeltliche Rechtsvertretung bei aussichtslosen Beschwerden gegen Asylentscheide abschaffen. Marco Chiesa (TI) will «Fehlanreize im Asylwesen beseitigen», indem Sozialhilfe für Geflüchtete gekürzt wird. Gemeinsam mit dem Thurgauer Nationalrat Pascal Schmid fordert er ausserdem, Asyl nur noch befristet für zwei Jahre zu gewähren und jeweils nur um zwei Jahre zu verlängern.

Die reale Gesetzeslage und die Umsetzbarkeit ihrer Forderungen spielen für die SVP keine Rolle. Viele ihrer aktuellen Forderungen sind längst Realität, seit Jahren eingebettet in die Schweizer Gesetzgebung. Andere verstossen gegen die Schweizer Verfassung oder sind nicht realisierbar.

So schränken kantonale Migrationsämter die Bewegungsfreiheit Asylsuchender bereits heute ein und überwachen sie mit Unterstützung der Polizei. Der Entzug der Aufenthaltsbewilligung und der Ausschluss aus dem Asylverfahren bei Verbrechen sind gesetzlich geregelt. Auch die Wohnsitzwahl wird durch kantonale Sozialhilferegelungen begrenzt. Aussichtslosen Beschwerden wird keine unentgeltliche Rechtsvertretung gewährt, und Asylsuchende, vorläufig aufgenommene Ausländer:innen und Schutzbedürftige erhalten eh weniger Sozialhilfe als andere. Die regelmässige Überprüfung des Asylstatus alle zwei Jahre scheitert am enormen Verwaltungsaufwand.

Ganz nach den Wünschen der SVP

Einzelne Vorstösse fordern aber auch umsetzbare Verschärfungen: Eine Standesinitiative aus dem Kanton St. Gallen möchte nach deutschem Vorbild eine Bezahlkarte zur kontrollierten Sozialhilfeabgabe einführen. Daniel Fässler (Die Mitte) fordert schnellere und konsequentere Ausschaffungen und die Finanzkommission des Ständerats die Beschleunigung der Asylverfahren. Im Stände- und im Nationalrat fordert die SVP wortgleich, vorläufig Aufgenommenen erst nach zehn statt wie bisher nach fünf Jahren eine dauerhafte Aufenthaltsbewilligung zu ermöglichen. Auch möchte sie den Schutzstatus S für Ukrainer:innen komplett abschaffen.

Für die Annahme ihrer Vorstösse ist die SVP auf die Unterstützung der bürgerlichen Parteien angewiesen. Die letzten Sessionen offenbarten, dass die Bürgerlichen auch schon bei verfassungswidrigen Vorstössen die nötige Unterstützung boten. Und wenn ein Vorstoss mal abgelehnt wurde, war die geforderte Verschärfung oft bereits bittere Realität und ein Ausdruck davon, dass die heutige Asylpolitik ganz nach den Wünschen der SVP läuft.

Unter den vierzehn migrationspolitischen Vorstössen sticht einer heraus. Zwar verlangt der Kanton Neuenburg in einer Standesinitiative mit dem Titel «Für ein menschlicheres Asylsystem» kleinere, besser verteilte Aufnahmezentren sowie eine verstärkte soziale, integrative und gesundheitliche Betreuung der Asylsuchenden, also ein Minimum an Menschlichkeit. Doch möchte man zugleich die Repression ausbauen, indem Personen, die «Sicherheitsprobleme» darstellen, schneller ausgeschafft werden können.

Das Asylspektakel spielt sich ohne wesentliche Gegenwehr von links ab. Die SVP verschiebt mit ihren Vorstössen das Sagbare, während sich die linken Parteien in den entsprechenden Debatten ideenlos zeigen, statt der rechtsnationalen Partei politisch den Kampf anzusagen.