Basel: Mit geballter Kraft

Sieben Jahre dauerte der Kampf um die «Elsie». Jetzt werden die alternativen 
Wohn- und Kulturhäuser geräumt und abgerissen. Definitiv.

BIn diesen Wochen [Spätsommer 2004] werden die Gebäude an der Elsässerstrasse 5, 9, 11 und 11a in Basel abgerissen, um Platz für einen Neubau zu schaffen. Platt gewalzt werden nicht nur vier Häuser, sondern auch der gelebte Traum von einem alternativen Wohn- und Kulturraum mitten in Basel. Die «Elsie» wurde in der Medienöffentlichkeit meist als besetztes Haus beschrieben und wahrgenommen. Dementsprechend werden und wurden die BewohnerInnen kriminalisiert.

Tatsache ist aber, dass in der rund siebenjährigen Geschichte der Elsie nur eines der vier Häuser besetzt worden war, und auch das nur für wenige Monate: An der Fasnacht 1997 wars, als eine Hand voll Aktivisten die leer stehende Nummer 11 samt Innenhof in Beschlag nahm. Durch Verhandlungen mit der damaligen Hausbesitzerin Migros wurden aus Besetzern Mieter, die alsbald den Kampf gegen die geplante Grossüberbauung mit Einkaufszentrum aufnahmen.

Nach diversen Einsprachen und Petitionen gab die Migros auf und schrieb das Objekt zum Kauf aus. Natürlich boten BewohnerInnen und Freunde der Elsie mit, doch den Zuschlag erhielt die finanziell weitaus potentere Stiftung Habitat, welche 6,5 Millionen Franken für die alten Gebäude zahlte. Ein Spekulationspreis, wie der Architekt Ruedi Bachmann vom St. Johanner Quartierverein Yysvogel an einer Medienkonferenz betonte. Bald wurde klar, dass auch die Habitat die Häuser abreissen und an ihrer Stelle eine Überbauung hinpflanzen will. Und das, obwohl sich die Stiftung laut ihren Statuten für «günstigen Wohnraum» einsetzen soll. Günstigen Wohnraum schaffen, indem man günstigen Wohnraum abreisst? Nicht nur den rund fünfzig Elsie-BewohnerInnen konnte sich diese Logik nicht ganz erschliessen.

«Blöd gelaufen»

Der auch juristisch ausgefochtene Kampf zwischen Elsie und Habitat fand seinen unrühmlichen Höhepunkt vor einem Jahr, als am 23. Juli früh um sechs sechzig Polizisten den Innenhof stürmten, Türen einschlugen, aus dem Schlaf gerissene BewohnerInnen abführten. Minuten später fuhren Abrissbagger auf, die unter anderem das Kino Zorgenvliet und den Werkhof der Theatergruppe ExEx dem Erdboden gleichmachten. Der Konzertkeller wurde mit Kies aufgefüllt, eine Treppe zerstört, Toiletten wurden zubetoniert. Und nicht zuletzt verloren ein Teil der BewohnerInnen, rund zwanzig Leute, von einer Stunde auf die andere ihre Bleibe. Laut einem Bericht des Menschenrechtvereins «augenauf» kam es bei der Aktion zu Übergriffen seitens der Polizei. Juristisch pikantes Detail am Rande: Die schriftliche Kündigung für einige der zerstörten Bereiche traf erst Stunden nach Beginn der Zerstörungsaktion in der Elsie ein.

Dass zumindest das Zubetonieren der Toiletten illegal war, musste selbst Habitat-Sprecherin Astrid van der Haegen anschliessend zugeben. «Das ist blöd gelaufen», kommentierte sie via «Basler Zeitung» lapidar. Bedenklich auch, wie sich die Stadtbasler Polizei in den Dienst von Habitat stellte, offensichtlich ohne die rechtmässigen Ansprüche der Elsie-BewohnerInnen auch nur ansatzweise abzuklären. «Wir halten uns an die Vorgaben der Habitat», rapportierte der Polizeisprecher André Auderset damals der WOZ mit erstaunlicher Offenheit. Laut der Stiftung waren Reklamationen von Nachbarn der Elsie Grund für die überfallartige Aktion.

Es bleibt der Eindruck einer pseudosozialen Politik seitens der Stiftung Habitat und einer unappetitlichen Verquickung von gemeinnützigen mit wirtschaftlichen und politischen Interessen. Das Vorgehen der Habitat wird von Behördenseite wohl nicht zuletzt deshalb gedeckt, weil es sich mit der aktuellen baselstädtischen Politik der «Quartieraufwertung» deckt. Bei der Habitat ballen sich politische und pekuniäre Macht, unter anderem in den Personen von Astrid van der Haegen, CVP-Landrätin Baselland und Präsidentin der Wirtschaftsfrauen Schweiz, und Roche-Erbin Beatrice Oeri. Eine gewichtige Rolle spielt auch François Fasnacht, der praktischerweise Habitat-Stiftungsrat, Habitat-Gutachter und Architekt der geplanten Überbauung in Personalunion ist.

Das letzte Fest

Nachdem das Bundesgericht als letztmögliche Instanz auf eine staatsrechtliche Beschwerde der Elsie-AktivistInnen nicht eingegangen war, wurde den verbliebenen BewohnerInnen definitiv auf den 31. Juli, Punkt zwölf Uhr, gekündigt. Wenn das Gebäude bis dann nicht leer sei, werde es polizeilich geräumt. Was die BewohnerInnen und FreundInnen der Elsie von diesem Ultimatum hielten, demonstrierten sie Ende Juli mit friedlichen Protestaktionen und einem grossen Abschiedsfest im Innenhof der Häuser. Die zweitägige Party mit –Livebands und sonstigen Attraktionen donnerte bis in die frühen Morgenstunden des 1. August, also weit über das von der Habitat gesetzte Ultimatum hinaus. Das «illegale» Festprogramm wurde sogar in den lokalen Medien publiziert.

Bis Mitte Woche befolgte der Grossteil der ehemaligen BewohnerInnen dann nach und nach den Räumungsbefehl. Als die Polizei die Gebäude am Mittwochmorgen zwischen sechs und sieben Uhr räumte, hielten sich darin noch sechzehn Besetzer auf. Die Aktion verlief nach Angaben beider Seiten gewaltfrei. Die Polizei riegelte das Gelände ab. Minuten später fuhren die Abrissbagger auf.