Der WOZ-Blog zum Ukrainekrieg

Im geopolitischen Gezerre

Manche sind von Russland direkt abhängig, andere sehen sich in der Tradition der blockfreien Staaten: Viele afrikanische Länder beziehen im Ukrainekrieg keine Position.

Als die Uno-Generalversammlung am 22. März erneut über eine Resolution abstimmte, die Russland für den Angriffskrieg gegen die Ukraine verurteilte, sprach sich nur ein einziges afrikanisches Land dagegen aus: Eritrea. Die ostafrikanische Diktatur gesellte sich damit zu Nordkorea, Syrien und Belarus.

Die Resolution wurde mit grosser Mehrheit angenommen, 140 der 193 Landesvertreter:innen stimmten dafür. Auffällig ist aber auch: 20 von insgesamt 54 afrikanischen Ländern haben sich der Stimme enthalten, während 6 der Versammlung fernblieben. Die Stimmungslage scheint in Afrika nicht so einheitlich wie etwa in Europa, Nord- und Südamerika. Das hat mit dem historischen Bezugsrahmen zu tun: vor allem mit der Einbindung Afrikas in den Kalten Krieg, als manche Regierungen, Regimes und Milizen entweder von den USA oder der Sowjetunion unterstützt wurden – oder abwechselnd von beiden.

Die aussenpolitische Diplomatie vieler Regierungen war seit dem Ende des Kalten Kriegs von Zurückhaltung geprägt, sie wollten sich der geopolitischen Vereinnahmung durch die Grossmächte tendenziell entziehen. Und Länder wie Marokko oder Südafrika, die sich zum Krieg gegen die Ukraine der Stimme enthalten haben, stellen sich noch immer in die Tradition der blockfreien Staaten.

Russland-Afrika-Gipfel

Das Ausweichen einzelner Machthaber lässt sich hingegen auf eine offensichtliche Abhängigkeit von Russland zurückführen: Die Regimes der Zentralafrikanischen Republik, des Sudan und Malis sind derzeit bei der Durchsetzung ihres Machtanspruchs auf militärische Unterstützung angewiesen. Auch weitere Regierungen gingen teils enge Verbindungen ein, etwa in Ländern wie Algerien, Guinea, dem Südsudan, Uganda oder Simbabwe: Sie beziehen von Russland Rüstungsgüter, oder sie greifen auf russische Expertise bei der antidemokratischen Regierungsführung zurück.

Überhaupt scheint sich in diversen Regionen bemerkbar zu machen, dass Russland seit mindestens fünfzehn Jahren nach grösserem Einfluss in Afrika strebt. 2019 fand in Sotschi der erste Russland-Afrika-Gipfel statt; als «aussenpolitische Priorität» bezeichnete Präsident Wladimir Putin den Kontinent damals. Der Gipfel soll diplomatische Vereinbarungen und milliardenschwere Handelsabkommen hervorgebracht haben, es geht unter anderem um Waffendeals, das Bankenwesen, Energie- und Landwirtschaft.

Mehr als dreissig afrikanische Regierungen sollen allein im Rahmen dieses Gipfels Verträge über die Lieferung russischer Rüstungsgüter abgeschlossen haben. Und nicht zuletzt haben auch Privatfirmen – oft im Rohstoffbusiness – kräftig in den Sicherheitssektor investiert.

Gruppe Wagner im Einsatz

Das Verhältnis Russlands zu Afrika ist von nachdrücklichem Pragmatismus geprägt: Anders als der Westen, der den Machteliten mit scheinheiligen moralischen Auflagen gegenübertrete, biete Russland ihnen eine Kooperation auf Augenhöhe, so die Selbstdarstellung. Mutmasslich erhofft sich Putin davon nicht zuletzt diplomatischen Support auf der internationalen Bühne.

Ob die Sympathien der Menschen in den jeweiligen Staaten ebenfalls aufseiten Russlands sind, ist dabei zweitrangig: Schliesslich geht es neben dem geopolitischen Einfluss auch um den Export eines autokratischen Regierungsmodells – den Einsatz elaborierter Desinformationskampagnen inklusive. Einen wichtigen Faktor bilden dabei auch russische Söldnerfirmen, die seit 2016 in insgesamt sechzehn afrikanischen Ländern in Erscheinung traten.

Besondere Aufmerksamkeit erhielt dabei die berüchtigte russische Söldnerfirma Wagner, die in komplexen politischen Umfeldern zum Einsatz kam: in Libyen, der Zentralafrikanischen Republik, in Mali, im Sudan und in Moçambique. Sie wurde angeheuert, um Regierungen zu helfen, die Oberhand zu gewinnen – teils gegen bewaffnete Milizen, teils gegen demokratische Ansprüche aus der Zivilgesellschaft.

Positionierung als Demokratien

Im Vergleich mit China, den USA, den europäischen Ländern, der Türkei und manchen Golfstaaten bleibt Russland zwar im Hintertreffen. Dennoch ist die Zahl von 28 afrikanischen Ländern, die Russlands Angriffskrieg per Uno-Resolution verurteilt haben, beachtlich. Zu ihnen gehören grosse und wichtige Staaten wie Nigeria, Kenia oder auch die Demokratische Republik Kongo.

Nicht wenige dieser Länder dürften damit das Ziel verfolgen, sich auf dem Kontinent und gegenüber der restlichen Welt als Kräfte der Demokratisierung zu positionieren. Daran werden die jeweiligen Regierungen zu messen sein – in den letzten Jahren hat sich schliesslich abgezeichnet, dass das Gezerre um politischen und wirtschaftlichen Einfluss in Afrika künftig noch einmal deutlich stärker wird.