Die soziale Ambulanz
Viele verwechseln sie mit der Polizei. Doch die Sip sagt, sie kümmere sich darum, dass der öffentliche Raum für alle zugänglich bleibt. Wenn auf Zürichs Strassen ein Konflikt entsteht, sei Gewalt nicht immer die beste Lösung.

Die Atmosphäre im Hauptgebäude der Sip beim Selnau ist ruhig und ordentlich. Frau Neumann grüsst zu Beginn freundlich. Zwei bis vier weitere Personen sind vor Ort. Mehrere Computer stehen herum, ein Fernseher und ein grosser Tisch. An der Wand hängt eine Karte der Stadt Zürich, auf der Kreise eingezeichnet sind.
Sip steht für Sicherheit, Intervention und Prävention. Die Institution entstand 2000 als Reaktion auf den problematischen Drogenkonsum in der Stadt, als Reaktion auch auf die Drogenszene beim Platzspitz und am Letten. Die Idee dahinter war es, eine Vermittlungsinstanz zu etablieren, die einerseits präventiv und eingreifend tätig ist und andererseits den Kontakt zu Suchtmittelkonsumentinnen, Obdachlosen, Jugendlichen und Anwohnern herstellt.
Kein Pfefferspray
«Das Ziel der Sip ist es nicht, Konflikte mit Gewalt zu lösen, sondern Kompromisse zu finden», sagt Alexandra Neumann. «Wir setzen uns dafür ein, den öffentlichen Raum für alle zugänglich zu machen.» Sie helfe allen, die sich in der Stadt aufhalten und sei eine Art soziale Ambulanz. Im Untergeschoss des Gebäudes befinden sich Taschenlampen und Uniformen, aber keine Waffen, auch kein Pfefferspray. In gefährlichen Situationen können sich die Mitarbeiter:innen der Sip nur mit Worten verteidigen, deshalb müssen sie zunächst immer Abstand halten.
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Einerseits arbeiten die Einsatzkräfte stationär, beispielsweise vor Drogenkonsumräumen, wo sie den Zutritt kontrollieren, Konflikte deeskalieren und Hilfestellung leisten. Andererseits sind sie mobil unterwegs. In speziell gekennzeichneten Patrouillenfahrzeugen sind die Mitarbeiter:innen in der ganzen Stadt präsent. 79.4% der Zürcher:innen haben 2017 für den Erhalt der Sip gestimmt, worauf auch Alexandra Neumann während ihrer Präsentation verweist.
Wenn es drauf ankommt: die Polizei
Neumann erklärt die Arbeit der Organisation anhand von Beispielen: Wenn etwa eine ältere Frau nicht schlafen kann, weil sich im Innenhof eine laute Gruppe Jugendlicher aufhält, kann sie die Sip anrufen. Diese rückt dann an und versucht, Kompromisse zu finden, um die Situation für alle zu verbessern. Falls die Jugendlichen gewalttätig werden, können die Sip-Mitarbeiter:innen die Polizei kontaktieren. Bei Straftaten sollte ohnehin direkt die Polizei alarmiert werden.
Um die Arbeit effizienter zu gestalten, nutzt die Sip verschiedene technologische Hilfsmittel. Zum Einsatz kommt etwa das Programm Moleido. Es ermöglicht eine schnelle Orientierung in der Stadt. Alexandra Neumann zeigt das Tool; zu sehen ist eine Stadtkarte, auf der verschiedene Einsatzorte eingezeichnet sind. Auch eine Übersetzungsapp setzt die Sip ein, damit die Mitarbeiter:innen mit Menschen kommunizieren können, die kein Deutsch sprechen. Falls die App eine Sprache nicht erkennt, greifen sie auf ein bebildertes Wörterbuch zurück.
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Die Sip beschäftige selbst Menschen aus verschiedenen Kulturen, die mit vielen Sprachen vertraut seien, sagt Neumann. Das Team besteht heute aus rund 55 Mitarbeiter:innen. Sie sollten nicht mit den Angestellten der Securitas verwechselt werden, die für die Gebäudesicherheit zuständig sind. Für den Dienst bei der Sip ist je nach Tätigkeitsbereich ein Abschluss an einer Fachhochschule oder einer höheren Fachschule erforderlich.
Die Stadt Zürich wird immer lebendiger, doch dadurch steigt auch die Anzahl der Nutzungskonflikte im öffentlichen Raum, etwa in Bezug auf Lärm, Müll oder Aggressivität. Neumann sagt, dass neben Heroin zunehmend auch andere Substanzen wie Crack konsumiert werden, in den USA ist zudem Fentanyl ein grosses Problem. Die Sip ist da, um Konflikte mit Worten zu verhindern und Menschen in Krisensituationen Hilfe anzubieten.