CU there : Hinterhof of love

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Kürzlich war ich ja in Berlin – wir lieben es, wenn Leute aus Züri das sagen – und durfte dort am Deutschen Theater dem wundervollen Performer und Tänzer Dan Daw zuhören. Er sprach über seine Arbeit, über den widerständigen, kratzbürstigen «saltbush» im australischen Outback, über den Hinterhof seiner Oma, «the place where we can just be». 

Er sprach darüber, was es bedeutet, als queere, behinderte Person in unserer Zeit zu leben, zu überleben, aber vor allem: «to thrive», zu blühen, zu wachsen. Standzuhalten, «to resist», sich zu wehren. Er fragte auch: «When will it all just get easier?» Nicht so bald, vermutlich. Es bleibt uns also nur der Lobgesang auf den «saltbush». Oder, wie Dan Daw sagt: «If we have to resist, then why not in the sexiest, most fabulous and expansive way!» 

Danke, Dan Daw. Seine Show Exxy ist vom 11. bis 13. Dezember auf dem Kampnagel in Hamburg zu sehen, falls Sie dann zufällig eine Lücke in der Agenda haben. 

In Dan Daws kurzer Lecture Performance wurde übrigens sehr, sehr viel gelacht, um elegant an meine Behauptung von letzter Woche anzuschliessen, dass ich ab sofort häufiger in der Öffentlichkeit lachen werde. Ich habe es im ICE versucht und tatsächlich einen kollektiven Lachmoment produziert, als meine Mineralwasserflasche über dem Hosenbein meines Sitznachbarn explodierte. Success!

Zurück in Zürich bleibt mir vor allem Dan Daws Bild des Hinterhofs, in dem wir uns selbst sein können. Dieses Bild resoniert sehr mit mir  – in der Hängematte liegen, mit dem Gartenschlauch die anderen Kinder ärgern, «sändele», Kräuter pflanzen, mit Kreide den Boden bemalen, still in die Sonne lächeln, Hühner füttern, knutschen oder, wie Dan Daw, den Hauswänden «The Power of Love» vorsingen. 

Dabei haben Hinterhöfe aktuell nicht den besten Ruf, ebenso wie Seitenstrassen, Hauseingänge, Treppenhäuser, Einfahrten – dunkle, schummrige Ecken, schlecht beleuchtet, nicht überwacht. In der kollektiven Imagination also dieOrte städtischer Sündenproduktion schlechthin: Crack rauchende Sexarbeiter:innen mit Punkfrisur treffen auf junge migrantische Männer, die Haftbefehl im Schlaf zitieren können. So stellen die sich das bei SVP, AfD, CDU, FDP, Mitte etc. vermutlich vor. 

Ich will weder Sucht noch Gewalt im öffentlichen Raum kleinreden, doch erstens wäre das Gespräch, das wir dann führen sollten, eines über Armut, Sparpolitik und Verdrängung. Und zweitens waren und sind es genau diese schummrigen Zwischenorte, an denen sich für queere Menschen Freiräume öffnen, Begegnung und Sexualität gelebt werden können; Parkanlagen, öffentliche Toiletten, Clubs etc. dienen als sogenannte Cruising Spots. Orte für schnellen Sex, ja, aber auch die Möglichkeit, die Stadt von ihren schillernden, unscharfen Rändern her zu denken, ausserhalb von Kleinfamilie, Bürojob und Steuererklärung. Eine «Cruising-Utopie», wie es beim Queer-Theoretiker José Esteban Muñoz heisst, ein Hinterhof of Love. 

Schriftsteller:in Laura Leupi (29) streift in der Kolumne «CU there» (nicht nur) durch Begegnungszonen in Zürich und schreibt immer freitags über öffentlichen Raum, Zugänglichkeit und Verdrängung.