Erdgas in umkämpftem Gebiet

Le Monde diplomatique –

In Mosambiks Provinz Cabo Delgado geht der Guerillakrieg weiter

Am Strand von Pemba waten ein paar Frauen durch das türkisfarbene Wasser des Indischen Ozeans, auf ihren Köpfen Körbe mit Fisch. Sie wollen ihn auf dem Markt von Paquiteque verkaufen, dem ältesten Viertel der Hauptstadt von Cabo Delgado. Die Ruhe an den Sandstränden im Nordosten Mosambiks ist jedoch trügerisch: Immer wieder kommt es in dem Gebiet zu Angriffen von Dschihadistengruppen.

Der erste ereignete sich am 5. Oktober 2017, als die kleine Hafenstadt Mocímboa da Praia 48 Stunden lang von einer schwer bewaffneten Gruppe besetzt wurde, die sich al-Shabaab (Arabisch: Jugend) oder Ansar as-Sunna (Bewahrer der Überlieferung) nennt und als Teil der Terrororganisation Islamischer Staat (IS) gilt. Trotz mehrerer Militärinterventionen der Regierung Mosambiks und anderer Staaten der Region hat die Provinz seither nicht wieder zu Frieden und Sicherheit zurückgefunden. Zuletzt wurden bei einem Angriff am 28. Juni 30 mosambikanische Soldaten getötet.

Vor der Küste von Cabo Delgado liegt der größte Teil der auf 5 Billionen Kubikmeter geschätzten mosambikanischen Erdgasvorkommen. Multinationale Energieunternehmen wie TotalEnergies (Frankreich), ExxonMobil (USA), Eni (Italien) und die China National Petroleum Corporation haben in strategische Konzessionen im Rovuma-Becken (an der Grenze zwischen Mosambik und Tansania) investiert, um dort nach Gas zu suchen.

Aber das Gas ist nicht alles, was der Norden Mosambiks an Rohstoffen besitzt: Die australischen Konzerne Syrah Resources und Triton Minerals sind in der Grafitproduktion in Balama aktiv, und die britische Gemfields hält eine Mehrheitsbeteiligung an Montepuez Ruby Mining (MRM), eine der größten Rubinminen der Welt.

Guerillakrieg in Mosambik

Karte zum Guerillakrieg in Mosambiks Provinz Cabo Delgado: Konfliktherde, Todesopfer, Militärbasen, Erdgas, Energieinfrastruktur
(grosse Ansicht der Karte)

Allein schon aus diesem Grund ist es für Mosambik von großer wirtschaftlicher Bedeutung, dass die Sicherheit in der Provinz Cabo Delgado gewährleistet ist. Im August 2019 reiste Präsident Filipe Nyusi nach Moskau – es war der erste derartige Besuch seit 1987 –, um an eine strategische Zusammenarbeit anzuknüpfen, die bis in den Kalten Krieg zurückreicht, als die Sowjetunion die Länder an der „Frontlinie“ zum Apartheidstaat Südafrika unterstützte.

Nach dem Moskaubesuch beauftragte Nyusi die Wagner-Gruppe, die rund 200 Söldner entsandte, um den Aufstand niederzuschlagen. Die Wagner-Operation entpuppte sich jedoch als kläglicher Misserfolg. 12 Söldner wurden innerhalb weniger Wochen getötet, woraufhin sich die Gruppe im März 2020 zurückzog.

Als Nächstes suchte die Regierung Hilfe bei der privaten südafrikanischen Sicherheitsfirma Dyck Advisory Group (DAG), die 2012 von dem ehemaligen Oberst der simbabwischen Streitkräfte Lionel Dyck gegründet wurde. Sie sollte die mosambikanische Armee aus der Luft unterstützen. Doch selbst das konnte den Vormarsch der Rebellen nicht aufhalten. Die schweren Angriffe gingen weiter, Mocímboa da Praia wurde im August 2020 erneut besetzt. Im April 2021 zog sich auch die DAG zurück.

Im Juli 2021 entsandte die Entwicklungsgemeinschaft des Südlichen Afrika (SADC) eine gemeinsame Truppe. An der SADC-Mission in Mosambik (Samim) beteiligten sich acht Länder: Südafrika stellte zwei Drittel der Soldaten, der Rest kam aus Angola, Botswana, der Demokratischen Republik Kongo, Lesotho, Malawi, Tansania und Sambia. Die Afrikanische Union schickte 2023 militärische Ausrüstung.

Der Samim gelang es vor allem aufgrund logistischer Probleme jedoch nicht, das Kräfteverhältnis dauerhaft umzukehren. Zudem konnten einige der Staaten die Kosten für den Einsatz nicht weiter tragen. Im Sommer 2024 beschlossen die Staats- und Regierungschefs der SADC die Auflösung der Truppe. Lediglich die Regierungen von Ruanda und Tansania setzten ihre militärische Zusammenarbeit mit Mosambik auf bilateraler Ebene fort.

Tatsächlich war es die ruandische Armee, der es gelang, Mocímboa da Praia im August 2021 zurückerobern, und so die Wiederaufnahme der Gasförderung vor der Küste von Cabo Delgado zu ermöglichen. „Mosambik hat der Samim nie die nötige Unterstützung zur Verfügung gestellt“, erklärt Borges Nhamirre vom Institute for Security Studies (ISS Africa). „Es hat von vornherein hauptsächlich auf Ruanda gesetzt und die Truppen der SADC links liegen lassen.“ Die Samim habe stets alle Informationen über die Entwicklungen vor Ort geteilt, während die Abmachungen zwischen dem ruandischen Präsidenten Paul Kagame und Filipe Nyusi geheim blieben.

Zwischen Ruanda und Mosambik bestanden lange keine nennenswerten Beziehungen, bis 2019 eine ruandische Botschaft in Maputo eröffnet wurde. Derzeit sind rund 4500 Soldaten der Ruandischen Streitkräfte (FRD) in Cabo Delgado stationiert. Über ihre Beweggründe äußert sich die Regierung in Kigali jedoch nur vage. „Ruanda behauptet, aus Solidarität zu handeln, aber niemand schickt so viele Soldaten ohne Hintergedanken“, meint Nhamirre.

2021 bewilligte die EU ein Hilfspakt in Höhe von 40 Millionen Euro für die Ausbildung der mosambikanischen Armee zum Schutz der Zivilbevölkerung und zur regionalen Friedenssicherung. Auch den Einsatz der FRD unterstützte sie, im November 2024 stellte sie diesen 20 Millionen Euro für den Kauf von militärischer Ausrüstung und für Luftoperationen bereit.

„Die ruandischen Truppen haben zwar viel dazu beigetragen, die Situation in Cabo Delgado zu verbessern. Aber was schützen sie eigentlich, die Zivilisten oder die wirtschaftlichen Interessen?“, fragt Nhamirre. „Die gesamte Bevölkerung ist bedroht, doch sie bemühen sich vor allem rund um die Gasförderstätten, wie etwa in Palma.“ Auf der Afungi-Halbinsel südlich der Stadt Palma hat TotalEnergies in ein großes LNG-Förderprojekt investiert.

Als Zeichen der Annäherung zwischen Ruanda und Mosambik ratifizierte das Parlament in Maputo im März 2024 ein Auslieferungsabkommen. Es erleichtert die Auslieferung von Personen, denen schwere Verbrechen vorgeworfen werden, wie die Beteiligung am Völkermord an den Tutsi 1994. Bei Menschenrechtsaktivisten stößt es auf starke Vorbehalte, denn der autoritär regierende Präsident Kagame könnte es nutzen, um geflohener politischer Dissidenten habhaft zu werden.

Ruanda pflegt sein Image als Polizei Afrikas

Der Einsatz in Mosambik bietet Ruanda – neben wirtschaftlichen und diplomatischen Vorteilen – zudem die Gelegenheit, sein Image als Polizei Afrikas zu pflegen. Die gut ausgebildeten und disziplinierten FRD sind das Aushängeschild eines Landes, das mit rund 5900 Blauhelmsoldaten den weltweit zweitgrößten Beitrag zu UN-Friedensmissionen leistet.1 Das Land profiliert sich auch im privaten Sicherheitssektor.

In Cabo Delgado sind verschiedene Investoren aus Ruanda aktiv, vor allem in den Bereichen Bergbau, Bauwesen und Überwachung. Darunter sind Unternehmen, die wie Macefield Ventures, NPD Limited und Strofinare Mozambique in enger Verbindung zur ruandischen Holding Crystal Ventures stehen, dem privatwirtschaftlichen Arm der Regierungspartei Ruandische Patriotische Front (RPF).2

Der mosambikanische Historiker Yussuf Adam mutmaßt, Frankreich habe die ruandische Intervention gefördert, um die Interessen von TotalEnergies zu schützen. Einer der französischen Regierung nahestehenden Quelle zufolge ist das Gasprojekt Mozambique LNG des französischen Ölkonzerns in Cabo Delgado jedoch das Ergebnis direkter Gespräche zwischen TotalEnergies und der mosambikanischen Regierung.

Die Hoffnung auf eine Verbesserung der Lage ist nicht sehr groß. Dem ruandischen Einsatz zum Trotz bleiben die Dschihadisten aktiv. Mehr als eine Million Menschen sind vor der Unsicherheit, den Entführungen und Plünderungen von der rohstoffreichen Küste in weiter entfernt liegende Gebiete geflohen.

Westliche NGOs berichteten, dass aufständische Dschihadisten manchmal als Soldaten und Polizisten verkleidet in die Dörfer kommen, sich als Friedenshüter ausgeben und die Bewohner zwingen, ihnen Unterschlupf zu gewähren. Sie wenden Guerillataktiken an, bewegen sich schnell und verstecken sich in den Bergen, was es schwierig macht, sie aufzuspüren.

Für die Aufstandsbekämpfung erwarb die mosambikanische Regierung drei Flugzeuge vom Typ Ahrlac, auch Mwari genannt, des südafrikanischen Rüstungskonzerns Paramount. Seit Ende 2022 werden sie in Cabo Delgado für Aufklärungsmissionen und kleinere Angriffe eingesetzt. Maputo bemüht sich zudem um die Beschaffung von Drohnen aus China (Wing Loong II und CH-4 Rainbow) und Frankreich (IC-D der I-SEE Group).

Experten erklären die anhaltenden Aktivitäten der Guerilla damit, dass dschihadistische Bewegungen aus Tansania und Kenia sich durch Schmuggel entlang der reichen Ostküste Afrikas finanzieren und so ihren Einfluss in der Subregion aufrechterhalten. Andere vermuten, dass die Al-Shabaab-Gruppe aus einer Spaltung innerhalb des Islamischen Rats von Mosambik (Cislamo) hervorgegangen ist. Der von der Regierung anerkannte Rat vereint junge salafistische Prediger und Studenten, die gegen den lokal verbreiteten Sufismus, eine mystische Strömung des Islam, agitieren und sich von den fundamentalistischen Ideen des kenianischen Geistlichen Aboud Rogo Mohammed leiten lassen.

Rogo, der als Unterstützer der somalischen Al-Shabaab-Miliz galt, wurde 2012 in Mombasa von unbekannten Angreifern getötet. Sein Tod löste in Kenia tagelange Unruhen aus, da seine Anhänger die Sicherheitskräfte für seinen Tod verantwortlich machten. Für den Entwicklungspolitikexperten Joseph Hanlon hat die anhaltende Anziehungskraft der Gruppe ihre Wurzeln jedoch in Armut, Marginalisierung und dem Mangel an Perspektiven für junge Menschen, wobei die Religion lediglich als „Sammelpunkt“ dient.3

In der Tat gehört Mosambik nach 50 Jahren Unabhängigkeit und ununterbrochener Herrschaft der Befreiungsfront von Mosambik (Frelimo) zu den ärmsten Ländern der Welt. In der Provinz Cabo Delgado wächst die Diskrepanz zwischen den Gewinnen aus der Rohstoffförderung und dem Elend der Bevölkerung rasant. Laut der Hilfsorganisation Action contre la faim leben 45 Prozent der Einwohner der Provinz in extremer Armut. In ganz Mosambik leiden 3,3 Millionen Menschen unter einer akuten Ernährungsunsicherheit, zwei Drittel davon leben in Cabo Delgado.4

Die Organisation verweist zudem auf die katastrophale Zunahme von Wirbelstürmen infolge der globalen Erwärmung. Im vergangenen Dezember waren allein in Cabo Delgado schätzungsweise 272 000 Menschen von den Zerstörungen durch den Zyklon „Chido“ betroffen, im Januar folgte ein weiterer Zyklon.5

Zudem schürt die Korruption der Eliten eine Wut, die den Dschihadisten den idealen Nährboden liefert. Im April 2016 kam ein großer Betrugsfall ans Licht, der unter dem Namen „Dívidas Ocultas“ (versteckte Schulden) bekannt wurde. Drei mosambikanische Staatsunternehmen hatten bei Banken wie der Credit Suisse und der russischen VTB Kredite in Höhe von 2 Milliarden US-Dollar aufgenommen, um Patrouillen- und Fischereischiffe zu kaufen und Werften zu bauen. Doch in Wirklichkeit floss das Geld an regierungsnahe Personen, was zu einer Reihe von aufsehenerregenden Gerichtsverfahren in den USA und Großbritannien führte.6

Daraufhin beschlossen 14 Partnerländer und die Weltbank, sämtliche Hilfsgelder für Mosambik (rund 265 Millionen US-Dollar pro Jahr) einzufrieren. Der Internationale Währungsfonds (IWF) strich 165 Millionen eines Notkredits, der sich ursprünglich auf 286 Millionen US-Dollar belaufen sollte. Die Folge war ein Anstieg der Staatsverschuldung von 88 Prozent des Bruttoinlandsprodukts im Jahr 2015 auf 127 Prozent im Jahr 2016. Die Landeswährung verlor an Wert, die Inflation stieg 2016 auf 18,4 Prozent.

„Die Politiker hatten darauf spekuliert, dass diese Schulden mit den Einnahmen aus dem Gasgeschäft zurückgezahlt werden könnten“, erklärt Michel Cahen vom französischen Forschungsinstitut CNRS. „Aber das Geld floss nie. Denn aus Sicherheitserwägungen haben TotalEnergies und Eni ihre Megaprojekte verschoben.“

Bis der Geldsegen Wirklichkeit wird, verhandeln die ausländischen Konzerne über Förderkonzessionen und versuchen, die eigenen Anlagen selbst zu schützen. Die Dschihadisten setzen ihre Angriffe in Cabo Delgado fort – und die Bevölkerung ist weiterhin der Chancen auf eine positive Entwicklung beraubt.

1„Uniformed Personnel Contributing Countries by Ranking“, United Nations Peacekeeping, 31. März 2025.

2 Romain Gras, „Crystal Venture, la face business du FPR de Kagame“, Jeune Afrique, 2. Mai 2023.

3 Joseph Hanlon, „Mozambique’s insurgency: a new Boko Haram or youth demanding an end to marginalisation?“, Blog LSE, 19. Juni 2018.

4„Mueda, the refuge town“, Action contre la faim, 15. Oktober 2024.

5„Mozambique cyclones FA 2025“, Humanitarian Action, 19. Februar 2025.

6„Mozambique and the ‚Tuna Bond‘ Scandal“, Spotlight on Corruption, 9. Februar 2021.

Aus dem Französischen von Nicola Liebert

Margaux Solinas ist Journalistin.