Zum Tod von Bernard Cassen
Bernard Cassen war 34 Jahre lang Redakteur bei Le Monde diplomatique und von 1996 bis 2007 Vorstandsvorsitzender der Trägergesellschaft Le Monde diplomatique SA. Er starb am 12. Juni 2025 im Alter von 87 Jahren in Paris.
Bernard engagierte sich an vielen Fronten: So wirkte er 1998 maßgeblich an der Gründung der globalisierungskritischen Organisation Attac und des Weltsozialforums mit. Gemeinsam haben wir viele Projekte umgesetzt. Als ich 1990 zum Redaktionsleiter gewählt wurde, verfolgte ich die Idee meines Vorgängers Claude Julien weiter, unsere Monatszeitung in eine selbständige Gesellschaft umzuwandeln. Bis dahin war LMd nur eine Art Beilage der Tageszeitung Le Monde gewesen. Wir aber wollten als Herausgeberin unsere eigene Gesellschaft: Le Monde diplomatique SA. An der sollte Le Monde SA zwar eine Mehrheitsbeteiligung behalten, aber Redaktion und Leserschaft sollten über eine Sperrminorität verfügen.
Jean-Marie Colombani, der 1994 für den Chefredakteursposten von Le Monde kandidierte, gab uns das Versprechen, im Fall seiner Wahl unserem Wunsch zu entsprechen. Und das tat er dann auch. Allerdings mussten wir noch das Geld für den Kauf von 49 Prozent der Anteile am Kapital von Le Monde diplomatique auftreiben. Wir riefen die Leserschaft zu Spenden auf, die sich sehr freigiebig zeigte. Die Redaktion jedoch verfügte über keine liquiden Mittel, um ihrerseits Anteile an der neuen Gesellschaft zu kaufen.
Da kam uns die Vorsehung in Form eines Briefes aus dem fernen Bolivien zu Hilfe. Der Absender stellte sich als treuer Leser unserer Zeitung vor, die er angesichts seines nahenden Todes mit einer stattlichen Summe unterstützen wollte. Bernard und ich flogen nach Santa Cruz, um Gunter Holzmann kennenzulernen, der als antifaschistischer Widerstandskämpfer in den 1930er Jahren aus Deutschland nach Bolivien geflohen war. Er bekräftigte seine Bereitschaft, uns zu helfen. Schwer beeindruckt kehrten wir glücklich nach Paris zurück. Von da an setzte Bernard seine bemerkenswerte Kreativität in Verwaltungsdingen für den Aufbau einer Rechtsstruktur ein, in der die Interessen von Redaktion und Leserschaft – die sich zu einem Verein namens Association des Amis du Monde diplomatique zusammenschlossen – dauerhaft gesichert wurden.
Bernard Cassen hat seine soziale Herkunft aus bescheidenen Verhältnissen nie verleugnet. Dabei ging er dank seiner ungewöhnlichen Intelligenz nie in die Falle eines sozialen Determinismus. Wenn sich so etwas wie ein roter Faden durch sein Engagement zieht, dann ist es sein Kampf für Gleichheit und soziale Gerechtigkeit.
Ignacio Ramonet
Ignacio Ramonet war von 1990 bis 2008 Direktor von Le Monde diplomatique, Paris.