Milchmarkt: Nach der Suppe ein Streik?

Verzweiflung nach dem Ende der Kontingentierung.

Einen Franken pro Liter Milch fordert die Bäuerliche Interessengruppe für Marktkampf (BIG-M) seit langem. Damit wären die Produktionskosten einigermassen gedeckt. Der aktuelle Produzentenpreis beträgt nicht mehr viel mehr als die Hälfte. Seit am 1. Mai [2009] die Milchkontingentierung aufgehoben wurde, hat sich die Situation zugespitzt. Zu viel Milch ist auf dem Markt. Das freut die verarbeitende Industrie, aber schadet den MilchproduzentInnen. Viele versuchen, mit grösseren Liefermengen den Verlust auszugleichen – und sorgen so dafür, dass der Preis noch tiefer sinkt. Ein Teufelskreis. «Wir brauchen dringend eine nationale Mengensteuerung», sagt Werner Locher, Bauer in Bonstetten und BIG-M-Sekretär.
Noch dramatischer ist die Situation in den EU-Staaten. Die EU hat zwar noch eine Kontingentierung, aber die festgelegten Mengen sind viel zu hoch. Unter den tiefen Preisen leiden nicht nur KleinbäuerInnen: Grossbetriebe, die viel investiert haben, können jetzt ihre Schulden nicht zurückzahlen. Viele BäuerInnen wollen bei diesem gnadenlosen Verdrängungswettbewerb nun nicht mehr mitmachen. Statt sich zu unterbieten, assen sie letzte Woche in Kappel am Albis gemeinsam Milchsuppe und beratschlagten, wie sich die verfahrene Situation ändern liesse.
In Kappel, wo schon 1529 nach der Reformation geschmaust statt gekämpft wurde, trafen sich vom 7. bis 9. Juli die Mitglieder des European Milk Board (EMB). «Ich war geschockt über die Verzweiflung vieler Teilnehmer», sagt Werner Locher. «Ein französischer Bauer sagte mir, er wolle lieber sterben, als so weiterzumachen.» Besonders interessiert waren die TeilnehmerInnen an Berichten aus Kanada. Dort gibt es ein Marktmonitoring; die Menge wird monatlich der Nachfrage angepasst, und der Preis orientiert sich an den Produktionskosten. «Ein solches Modell wäre in Europa doch auch möglich», meint Werner Locher. Das fordert auch das EMB. Wenn sich nichts ändert, soll es wieder einen Milchstreik geben – diesmal europaweit.