Doppelter Diebstahl Fast ein Krimi: In Alain Claude Sulzers Buch «Fast wie ein Bruder» verschwinden Bilder gleich zweimal. Jetzt wird der Autor mit dem Solothurner Literaturpreis ausgezeichnet.
«Stets vermag er glaubwürdige Stimmungslandschaften zu erzeugen und bringt den Lesenden Protagonisten nahe, die man leicht als Nebenfiguren der Geschichte übersehen könnte»: So lautet die Begründung der Jury des Solothurner Literaturpreises, die den Basler Autor Alain Claude Sulzer dieses Jahr für sein Œuvre auszeichnet. Und tatsächlich zeigt sich in seinem jüngsten Roman «Fast wie ein Bruder» einmal mehr sein grosses Talent, mit wenigen Strichen prägnante und plausible Szenen zu skizzieren, unter variabler Verwendung einer jeweils zu Zeit und Milieu passenden Figurensprache.
«Frank war zweiunddreissig, als er starb» – so lautet der erste Satz im Roman und stellt die Todesthematik dieses teilweise beinahe kriminalistischen Werks gleich ins Zentrum. Frank Reimers und der namenlose Ich-Erzähler wachsen in den sechziger Jahren zusammen in einem Reihenwohnblock in Bochum auf. Sie werden von den befreundeten Eltern fast wie Zwillingsbrüder erzogen. Als die beiden siebzehn sind, sterben ihre Mütter kurz hintereinander. Wenig später wird Frank in seiner Wohnung zusammen mit dem Roma-Jungen Matteo von dessen wütender Familie überrascht – «nackt bis auf die Unterhosen»: «Die beiden sahen erbärmlich aus, schreckensstarr, wie gehetztes Wild. […] Niemand konnte übersehen, dass sie bei etwas ertappt worden waren, was verboten war. Es war Sex. Es roch nach Sperma.»