Literatur: Schreiben, damit die Dinge existieren

Nr. 36 –

Mit seinem Buch «In der Tiefe des Tigris schläft ein Lied» erklärt Usama Al Shahmani den Untergang des irakischen Judentums als Urkatastrophe des Irak. Das ist politisch treffsicher, bleibt aber literarisch hinter den Erwartungen zurück.

Menschen sitzen im Jüdischen Schrein für den Propheten Ezechiel in al-Kifl, Irak, 1932
Eine untergegangene Welt: Jüdischer Schrein für den Propheten Ezechiel in al-Kifl, Irak, 1932. Foto: Getty

Usama Al Shahmani ist bekannt für seine vielschichtigen Romane über das Exil und das Leben zwischen verschiedenen Heimatländern sowie als Mitglied der Kritiker:innenrunde des SRF-«Literaturclubs». Sein neues Buch ist eine zwiespältige Lektüre. Einerseits: Die Geschichte der irakisch-jüdischen Gemeinschaft und ihres Untergangs fasziniert und öffnet die Augen für politische Komplexität. Sie zu erzählen, ist ein mutiges Unterfangen, das zur richtigen Zeit kommt. Sie macht darauf aufmerksam, dass ein friedliches muslimisch-jüdisches Zusammenleben über Jahrhunderte hinweg der historische Normalfall war und dass «arabisch-jüdisch» keinen Gegensatz darstellt. Tatsächlich machen diese «Mizrachim» etwa die Hälfte der heute in Israel und weltweit lebenden Jüdinnen und Juden aus. Anschaulich zeigt das Buch auch, wie Nationalismus und religiöser Fundamentalismus im Irak durch britische, nationalsozialistische und später US-amerikanische Einflussnahmen und Interventionen instrumentalisiert und gefördert wurden – und wie dadurch auch der Traum eines multiethnischen und multireligiösen Nahen Ostens zerstört wurde.

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