Berset und Matter: So cool apolitisch

Das Video ist der virale Hit des vergangenen Wochenendes: Der abtretende Bundesrat Alain Berset feiert ausgelassen an der Street Parade. Im Video, das er auf seinem Instagram-Kanal gepostet hat, tanzt er auf einem der Love Mobiles, zieht nonchalant und freundlich seinen Panamahut und reicht einem anderen Besucher kumpelhaft die Hand. Mit seiner Sonnenbrille, dem Hut, dem weissen Hemd und der roten Federboa sieht der Bundespräsident dabei ein wenig aus, als wäre er Teil eines Junggesellenabschieds. Es folgen unzählige Selfies, Berset wird nebst den Müllbergen zum Highlight eines jeden Street-Parade-Livetickers, in Interviews beteuert er seine Sympathie für elektronische Musik und gibt sich gewohnt juvenil und kollegial. So sieht selbstlose Volksnähe 2023 aus. What a man!

Nach Bersets ungezwungener Performance an der Street Parade folgt dann pünktlich um 19 Uhr wie vorprogammiert sein essayhafter «Gastbeitrag» auf den Tamedia-Portalen, wo er Politisches am Rand streift: Er warnt vor der Erosion liberaler Demokratien und dem «grassierenden Pessimismus» unserer Zeit, das Street-Parade-Motto «I wish» wirke wie eine Provokation in einer solchen Zeit. «Eine Provokation im Namen der Liebe, Freude, Freiheit, Grosszügigkeit und Toleranz.» Die hochkommerzialisierte Street Parade als ein Ort progressiver Utopie? Da brauchts schon einiges an Fantasie. Oder: Heineken, Heineken, Heineken.

Fast 250'000 Views und über 16'000 Likes sind allein auf Bersets Insta-Kanal bis Montag, 16 Uhr, Ausbeute der Aktion. Eine kostengünstigere Imagekampagne soll einer erst mal aus dem Hut zaubern. Die Reaktionen sind durchwegs positiv: «Bin kein SP Fan, aber das war sehr cool», schreibt einer, als «cool» stuft es auch ein anderer ein, das Verdikt ist eindeutig: Das scheint «einfach cool» zu sein. «In welchem anderen Land ist so was möglich?», fragt ein Vierter, berauscht ob des eigenen Pathos. Immer wieder rührend, dieser Sonderfall Schweiz.

Die Konkurrenz von der SVP hat heute Morgen ihrerseits den Wahlkampf eingeläutet: Im Videoclip zum Song «Das isch d'SVP!» sind Parteigrössen wie Magdalena Martullo-Blocher, Mauro Tuena, Thomas Matter, Thomas Aeschi, Andreas Glarner oder Erich Hess zu sehen. «Lass eus alli gemeinsam da, bizli tanzä jedä Tag», heissts dort in der ersten Strophe. In der Form unterscheidet es sich dann aber klar von Bersets Performance: Das hier ist zweifelsfrei peinlich.

Siegesgewiss postet denn auch die SP Schweiz auf Instagram heute Morgen ein Bild mit der Überschrift «Choose your fighter». Unterhalb der Überschrift: links Alain Berset an der Street Parade, rechts Thomas Matter im «Das isch d'SVP»-Videoclip.

So, Kinder, jetzt müsst ihr euch aber entscheiden: Ob ihr wirklich richtig steht, seht ihr, wenn das Licht angeht!