Katholische Kirche: Nix wie raus!

Es ist ja nicht so, dass man es nicht gewusst hätte. Ich war evangelisch, aber seit meiner Kindheit kenne ich die Erzählungen meiner katholischen Freundinnen über die merkwürdig schwüle Stimmung im Beichtstuhl, wenn der Herr Kaplan danach fragte, ob sie unkeusch gewesen seien. Allein dieses Wort!

Natürlich haben es alle gewusst, aber das, was jetzt Historiker:innen der Universität Zürich im Auftrag der Bischofskonferenz ans Licht brachten, sprengt alle diesbezüglichen Vorstellungen (siehe WOZ Nr. 37/23). Ungezählte Anekdoten kursieren seit Jahrzehnten über in der Sakristei betatschte Ministranten, und ein Witz, den wir uns damals erzählten (Was ist der Unterschied zwischen einem protestantischen und einem katholischen Pfarrer? Der protestantische hat unheimlich viele Kinder und der katholische heimlich), ist vergleichsweise harmlos, unterstellt er doch bloss, dass auch mit zölibatären Priestern hin und wieder die Libido durchgeht. Und er lässt offen, ob der Herr Pfarrer nicht am Abend – ganz sorgender Vater – seine im Dorf verteilten Kinder besucht. Was es auch gab.

Selbst aufgeklärten Zeitgenoss:innen kann es bei dem, was nun diese erste Forschungsarbeit dokumentiert, die Sprache verschlagen. Man glaubt sich in einem Horrorfilm, wo dem entsetzten Opfer kein Ausweg bleibt. Selbst die Mutigen, die es wagten, Übergriffe und Vergewaltigungen bei übergeordneten Stellen zu melden, fanden keine Rettung – Schweigen und Vertuschen war die Devise.

Man fragt sich nicht zum ersten Mal, was Menschen eigentlich daran hindert, dieser Organisation so schnell wie möglich den Rücken zu kehren. Die Versuche, den Vorgängen auf die Spur zu kommen, gemahnen seit Jahren an den bedauernswerten Sisyphus. Diese Rolle übernimmt nun der Churer Bischof Joseph Bonnemain, der – zumindest von Ferne betrachtet – integer wirkt. Der Mann kann einem leidtun.

Vielleicht erinnern sich manche noch an den Aufschrei, als vor 25 Jahren ein Mann in der Schweiz wegen Folter und Misshandlungen an Säuglingen zu lebenslänglicher Haft und Verwahrung verurteilt wurde. «Babyquäler» nannte ihn die Boulevardpresse. Unter den Opfern der jetzt dokumentierten 1002 Missbrauchsfälle sollen Jugendliche, Erwachsene und Säuglinge gewesen sein.

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